Kein Bedarf an Sputnik V?

Binnenmarktkommissar Thierry Breton meint, die EU habe genügend eigene Kapazitäten

Ukraine Kommentar Michael Möller
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Der Weltökonom Paul Krugman hat in der New York Times zurecht das „Impfdebakel“ der EU beklagt. Schuld seien „einige schlechte Entscheidungen durch einige schlechte Führer“. Als Grund für das Desaster bei der Impfstoffbestellung durch die EU vermutet er: „Sie schienen zutiefst besorgt zu sein, sie könnten Pharmafirmen zu viel bezahlen.“

Nun, die Verhandlungsbasis für die Preise des von der deutsche Firma Biontech entwickelten Impfstoffs wurde festgesetzt, nachdem der US-amerikanische Konzern Pfizer als Geschäftspartner eingestiegen war. Der Einstiegspreis betrug das Vierfache dessen, was heute bezahlt wird.

Warum sollte man Raffzähne gewähren lassen, die es verstehen, aus der Not der Menschen Geschäfte zu machen? Und warum sollten Politiker nicht versuchen zu vermeiden, „dass sie Geld ausgeben könnten für Impfstoffe, die sich als ineffektiv erweisen oder gefährliche Nebenwirkungen haben“?

Dass, schließlich, die Politiker in der EU nicht besorgt gewesen sein sollen darüber, dass Menschen erkranken könnten, klingt aus amerikanischem Mund, als hätte da jemand sein Kurzzeitgedächtnis verloren. Wie sah es denn dort vor kurzem noch aus? Die Ansteckungsraten explodierten, die Ärzte waren am Limit und der ehemalige Präsident riet zum Gurgeln mit Desinfektionsmitteln.

Europa produziert genug eigenen Impfstoff?

Natürlich gibt es auch in der EU unverantwortliche Quatschköpfe. Während alle Welt sich um genügend Impfstoffe bemüht, sagt der Binnenmarktkommissar aus Frankreich am 21. März, Europa habe „absolut keinen Bedarf am Impfstoff Sputnik V“. Thierry Breton geht davon aus, dass die europäischen Produktionsstätten bis Juni 300 bis 350 Millionen Dosen produzierten, was reiche, um bis zum französischen Nationalfeiertag im Juli eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Welch ein Irrtum!

Damit ließe sich nur rund ein Drittel der ohne Briten immer noch 450 Millionen EU-Bürger impfen. Und die Direktorin der Europäischen Arzneimittelbehörde hat darauf hingewiesen, dass die Impfstoffe bis auf Weiteres knapp bleiben.

Richtig ist, dass die Produktion von Sputnik V zum Beispiel in Deutschland nicht sofort Entlastung brächte. Auch das würde dauern. Aber andere Unternehmen bemühen sich ebenfalls um Zulassung in der EU, neben Sputnik V sind das Curevac und Novavax. Wozu, wenn man sie nicht braucht?

Was den Technologiemanager und Politiker Breton treibt, wissen wir nicht. Auf die Frage, wessen Interessen er dient, können wir aber sicher sagen: Den leidenden Menschen in der EU dient er mit dem Ausschluss von Sputnik V nicht.

Professor Ludwig: Sputnik V „vertrauenswürdig“

Wolf-Dieter Ludwig, Mitglied im Management Board der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), hat im KARENINA-Interview zu Sputnik V gesagt, er halte die eingereichten Unterlagen für „insgesamt vertrauenswürdig“, er würde die Vakzine auch an seine Frau und Kinder impfen und empfehle Menschen mit einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19: „Nehmen Sie den Impfstoff, der von der EMA zugelassen wurde und den Sie am schnellsten bekommen.“

Sputnik V soll nahezu die gleiche Wirksamkeit wie die mRNA-Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer und eine höhere als AstraZeneca haben – bei geringerem Risiko. Die 2-Komponenten-Lösung verspricht außerdem eine stärkere Immunantwort.

Stünde Sputnik V jetzt EMA-geprüft zur Verfügung, würde jeder vernünftige Mensch dieses Serum dankbar annehmen. Egal wer den Wirkstoff erfunden hat, in welchen Betrieben er hergestellt wird und wem die gehören – und sei es ein Russe in Bayrisch-Schwaben.

Bevor auch noch Paul Krugman vom russischen Impfstoff abrät, sei gesagt: Eine Dose soll offenbar nur ein 25stel dessen kosten, was Pfizer und Biontech für ihren Impfstoff haben wollten.

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