Nawalny: Was Russland braucht

Es genügt nicht, Putin durch einen Vertreter der Polit-Elite zu ersetzen, meint Nawalny, Frankfurter Allgemeine 30.9.2022

von KARENINA
Alexei Nawalny 2017
"Russland muss aufhören, eine Quelle von Aggression und Instabilität zu sein.“ Nawalny (2017)

Wie könnte Putins verbrecherischem Krieg gegen die Ukraine und seine Herrschaft enden? Dieser Frage geht Alexei Nawalny in einem Essay nach, der in der Frankfurter Allgemeinen erschienen ist. „Die Gesamtstrategie muss darauf zielen, dass Russland und seine Regierung von sich aus und ohne Zwang niemals wieder Kriege beginnen wollen oder Krieg attraktiv finden.“ Nawalny hält das für möglich, denn: „Im Augenblick kommt der Impuls zur Aggression von einer bloßen Minderheit in der Gesellschaft.“

Der Westen ignoriere allerdings einige Frage: „Wie wird Russland aussehen, wenn die erklärten Ziele dieser Strategie erreicht sind? Könnte es sein, dass die Welt es bei einer erfolgreichen Durchsetzung dieser taktischen Ziele am Ende mit einem noch aggressiveren Regime in Russland zu tun haben wird? Mit einem Land, das von Ressentiments und imperialistischen Illusionen gepeinigt wird, dessen von Sanktionen getroffene, aber immer noch riesige Volkswirtschaft im Zustand permanenter militärischer Mobilisierung steht und dessen Atomwaffen ihm bei internationalen Provokationen und Schachzügen jeder Größenordnung Straflosigkeit garantieren?“

Nawalny meint, Putin werde selbst bei einer militärischen Niederlage erklären, der Westen habe versucht, Russland zu vernichten. Und dann werde er versuchen, „die Ehre unserer großen Vorfahren“ wiederherzustellen; und alles gehe wieder von vorn los und werde in einen nächsten Krieg münden.

Deshalb müsse die Ursache der Probleme versiegen. „Russland muss aufhören, eine Quelle von Aggression und Instabilität zu sein.“

Putin durch einen anderen Vertreter der Polit-Elite zu ersetzen, nutze nichts. Denn „die wahre Partei des Kriegs ist die gesamte Elite, das Machtsystem, das den imperialen russischen Autoritarismus erst hervorbringt“. Und der reproduziere sich ständig selbst. „Dieser selbst geschaffene imperialistische Autoritarismus ist der wirkliche Fluch, der auf Russland lastet, die Ursache all seiner Übel. Wir schaffen es nicht, ihn loszuwerden, obwohl wir immer wieder die historische Chance dazu erhalten.“

Der Westen habe dazu beigetragen, die vorläufig letzte zu vergeben, weil er nach dem Zerfall der Sowjetunion der Einführung eines Präsidialsystems mit einer enormen Machtkonzentration in den Händen des Präsidenten zustimmte. Einem „guten Kerl“ – Nawalny meint Jelzin – „viel Macht zu geben erschien damals vernünftig“.

Dabei sei rückblickend zu erkennen: „Die Länder, die sich für eine parlamentarische Demokratie entschieden haben (die baltischen Staaten), entwickeln sich und sind erfolgreich zu einem Teil Europas geworden. Die Staaten, die ein präsidial-parlamentarisches Modell gewählt haben (die Ukraine, Moldau, Georgien), stagnieren und haben immer wieder mit Versuchen einer einseitigen Machtergreifung zu kämpfen. Die Länder schließlich, die ein System mit einer ‚starken Macht in den Händen des Präsidenten‘ wählten (Russland, Belarus und die zentralasiatischen Republiken), sind in rigiden Autoritarismus gefallen. Die meisten von ihnen sind permanent in militärische Konflikte mit ihren Nachbarn verstrickt und träumen von ihren eigenen kleinen Imperien.“

Daraus sei unschwer zu erkennen: „Russland muss eine parlamentarische Republik werden, da nur so der endlose Kreislauf aus selbst geschaffenem imperialistischem Autoritarismus durchbrochen werden kann.“ Dabei müsse die Macht in den Händen eines einzelnen Menschen beschränkt, eine Regierung mit einer Mehrheit im Parlament gebildet, ein unabhängiges Rechtssystem geschaffen und Kommunen und Regionen mit einer beträchtlichen Kompetenzerweiterung ausgestattet werden. Sobald dann auch eine echte Opposition zugelassen wird, dürfte das unmöglich sein, dass Putins Partei totale Kontrolle über das Parlament gewinnt, so Nawalny.

Der Westen kann den Weg dorthin beeinflussen, insinuiert Nawalny, er habe „die Freiheit, die Art ihrer Beziehungen zu Russland, ob sie die Sanktionen aufheben oder nicht, und die Kriterien für diese Entscheidung zu wählen. Das russische Volk und die Elite brauchen nicht gezwungen zu werden. Sie brauchen ein klares Signal und eine Erklärung, warum diese Wahl besser ist.“  PHK

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