‚Russland nimmt Klimafragen jetzt ernst‘
Dmitri Trenin über ‚Russia’s Path to the Global Green Future‘, Carnegie Moscow Center, 15.11.2021
Wladimir Putin nahm am UN-Weltklimagipfel COP26 nicht teil, jedenfalls nicht in Glasgow. Dafür war eine sehr qualifizierte Delegation dort, 312 Personen, doppelt so viele wie aus den USA, wie Dmitri Trenin anmerkt. Klima sei auch in Russland Thema. Selbst Wladimir Putin wiederhole seit einem Jahr immer wieder, „dass die Temperaturen in seinem Land zweieinhalbmal so schnell steigen wie im globalen Mittel“.
„Was Putins Aufmerksamkeit erregte, muss der Zusammenhang zwischen Klimawandel und globaler Energiepolitik gewesen sein“, glaubt Trenin. Konkret: Die EU und China, größte Handelspartner Russlands, haben Klimaneutralität gelobt. Schon in den 2030er-Jahren müsse Russland wegen des Nachfragerückgangs für Öl, Gas und Kohle mit einem chronischen Budgetdefizit rechnen.
Was die russische Delegation in Glasgow als Schlüsselelemente der Klima- und Energiepolitik ihres Lands dargelegt haben, fasst Trenin so zusammen:
1. Russland wird darauf drängen, dass Atom- und Wasserkraft international als „grün“ akzeptiert werden. Diese Energiequellen machen 40 Prozent des russischen Energiemixes aus. Weitere 40 Prozent der russischen Energie würden aus Erdgas gewonnen, einem kohlenstoffarmen Brennstoff.
2. Zwei Drittel des russischen Territoriums sei Wald. Seine CO2-Aufnahmekapzität solle mit den CO2-Emissionen Russlands verrechnet werden.
3. Russland wolle nicht länger nur den Klimaregeln des Westens und der EU folgen, sondern sie selbst setzen. Darüber hinaus will Russland ein wichtiger Produzent von Wasserstoff werden. Russland will außerdem die Arktis schützen.
Unterm Strich urteilt Trenin: „Russland nimmt Klimafragen jetzt ernst.“ Aber obwohl dabei Nachzügler wolle Russland die Führung nicht dem Westen oder der EU überlassen, sondern sich nach den eigenen Interessen richten. Dabei wolle Russland Klimamaßnahmen gegen wirtschaftliches Wachstum abwägen, alte Energiequellen gegen erneuerbare.
Trenin unterstellt, dass alle Staaten beim Klima ihre Interessen verfolgen. Konflikte und harte Verhandlungen seien deshalb unvermeidbar. Und niemand werde westliche Prinzipien einfach akzeptieren.
Zu glauben, Russland könne das Verhältnis zum Westen verbessern, indem man über Zusammenarbeit bei Klimafragen auch andere Konflikte nebenbei bekakelt, nennt Trenin eine „Täuschung“. Die Konfrontation mit den USA und der EU verschwänden nicht durch eine Zusammenarbeit beim Klima. PHK