Nord Stream 2: Erpresst Gazprom die EU?
Michael Thumann: Gazproms Botschaft an die EU, ZEITonline, 8.10.2021
Die Gaspreise explodieren. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, Russland „spielt keine Rolle bei diesen Ereignissen“. Michael Thumann stimmt „zunächst“ zu, dass Gazprom die Preisexplosion nicht verursacht habe. Es gebe viele preistreibende Faktoren: hohe Nachfrage in Asien, Europas Gasspeicher seien nur zu etwa 70 Prozent gefüllt, traditionell starke Schwankungen auf dem freien Spotmarkt für Gas.
Zudem habe die Bundesregierung seit 1998 zu sehr auf Gas gesetzt, sei sie zu schnell aus der Kernkraft und zu langsam aus der Kohle ausgestiegen. Und der Ausbau der Erneuerbaren werde behindert.
Aber Gazprom könnte durch die vier Pipeline-Stränge durch die Ukraine mehr als das Doppelte der vereinbarten Menge nach Europa schleusen, schreibt Thumann. „Und hier wird aus der vermeintlichen kaufmännischen Torheit eine geopolitische List.“
Russland wolle damit erreichen, dass Nord Stream 2 von der Bundesnetzagentur zertifiziert wird und die EU dies absegne. Das sei aber wegen der verlangten Trennung von Netzbetreiber und Gaslieferant nicht sicher, weil die Nord Stream 2 AG einer Gazprom-Tochter gehöre. „Daran“, so Thumann, „könnte die Zertifizierung scheitern.“
Gazprom baue deshalb Druck auf. Gazproms Botschaft sei „recht simpel“, habe der russische Energiefachmann Michael Krutichin gesagt: „Ihr kommt uns entgegen bei den Regulierungsfragen für die Pipeline, wir liefern Euch mehr Gas“ – durch die neue Pipeline Nord Stream 2. Krutichin habe das „Erpressung“ genannt. PHK
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