Die Kosten der Sanktionen
Ifo-Studie: Die Sanktionen schaden nicht nur der russischen Wirtschaft, sondern auch der deutschen
Sachsens Unternehmen leiden unter den Russland-Sanktionen. 60 Prozent beklagen Behinderungen beim Export. Aber sie sind „nicht nur beim Verkauf, sondern auch beim Einkauf am meisten von den Sanktionen betroffen“. Das stellte kürzlich eine Studie des ifo-Instituts über „die volkswirtschaftlichen Kosten der Sanktionen in Bezug auf Russland“ fest.
Die IHK Dresden wollte es genauer wissen und lud zu einem Webinar ein. Titel: „Russland und die Sanktionen: Wie weh tun sie der sächsischen Wirtschaft?“ Lutz Reinhardt, Sales Manager Aerospace beim Sensortechnik-Produzenten ADZ NAGANO in Ottendorf-Okrilla, sagte, für sein Unternehmen hielten sich die Folgen der Sanktionen in Grenzen. Und seine russischen Kunden in Moskau und Kazan seien zu Beginn verunsichert gewesen, inzwischen haben sie größere Sorgen: „Im Moment ist die Coronapandemie schlimmer als die Sanktionen.“ Allerdings beklagt er im KARENINA-Interview, dass die europäischen Unternehmen „Spielball geopolitischer Ambitionen“ seien.
Tatsächlich haben die Sanktionen von 2014 an Importe und Exporte nach Russland stark reduziert, so Marina Steininger, Mitautorin der ifo-Studie. Am stärksten betroffen seien die Sektoren Landwirtschaft und Bergbau. Sachsen habe wegen der langen Verbindungen mit Russland besonders zu leiden. Generell führten die Sanktionen dazu, dass „auf längere Sicht kaum neue Unternehmen in den Handel mit Russland einsteigen werden“. Außerdem steige die Wahrscheinlichkeit, dass Russland Importe durch eigene Produkte ersetze, aber auch neue Handelspartner suche, etwa in China und Korea.
Konkrete Schäden für Unternehmen
In der Studie, die im Oktober veröffentlicht worden war, äußern sich mehrere Unternehmen zu konkreten Problemen. Dem Werkzeugmaschinenbauer Niles-Simmons Industrieanlagen in Chemnitz wurden wegen der Sanktionen alle Verträge aufgekündigt. Hans J. Naumann, Geschäftsführender Gesellschafter und Chairman of the Board geklagt einen Verlust in Höhe von 14 Millionen Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium beantwortete einen Brief mit dem Hinweis, „dass dieses Risiko durch das Unternehmen selbst getragen werden muss“. Weil sich die Genehmigungen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zum Bau einer Produktionsfirma in der Sonderwirtschaftszone „Zelenograd“ in Moskau verzögerte, sei der Bautermin verstrichen, die Firma musste wegen Nichterfüllung 900 000 Euro Strafe zahlen.
Auch die Firma Werkzeugbau Ruhla aus Seebach (Thüringen) hat nach Einführung der Sanktionen einen großen Auftrag verloren. Geschäftsführerin Lena Lüneburger spricht von einer Belastung sorgfältig aufgebauten Vertrauens zu russischen Kunden. „Sanktionen sind nicht die Klärung, sondern die Verschiebung des Problems.“
Plattenhardt+Wirth aus Meckenbeuren (Baden-Württemberg) stellt „durch die wirkungslosen und zielverfehlenden EU-Sanktionen und die bekannten russischen Gegensanktionen“ einen Rückgang des Exports fest, so Prokurist Ingolf Mayer, gleichzeitig CEO und OOO der Firma Plawi-Service Moskau. „Politische Auseinandersetzungen weiterhin u. a. auf dem Rücken der Mittelständler auszutragen ist besonders in Zeiten von Corona und bei mittlerweile sichtbarer Wirkungslosigkeit unverantwortlich!“
Bals Elektrotechnik aus Bersteland in Brandenburg meldet weggebrochene Absatzmärkte, die „durch asiatische Firmen besetzt wurden“, so Thomas Brünig, Key Account Manager DE/Eastern Europe. „Diese Märkte sind nicht rückgewinnbar."
Auch wenn eine baldige beidseitige Abschaffung der Sanktionen nicht zu erwarten ist, gibt die ifo-Studie eine Einschätzung der Folgen ab: In fast allen deutschen Wirtschaftssektoren erwarten sie eine Steigerung der Wertschöpfung. „Der deutsche Export nach Russland würde demnach um 15 Prozent steigen.“
Vor allem der Osten Deutschlands würde profitieren. „Die ostdeutschen Bundesländer profitierten relativ zum Einkommen besonders stark.“ Wegen der historisch begründeten engeren Geschäftsverbindungen mit Russland.
Generell, so die Studie, könnte das Abschaffen der Sanktionen „einen Beitrag zur Angleichung des Ostens an den wirtschaftlich stärkeren Westen ermöglichen“. Größter Profiteur wäre allerdings Russland. „Die Aufhebung der Sanktionen würde eine Steigerung der Gesamtwohlfahrt bewirken.“
Kurzzusammenfassung im ifo-Schnelldienst
Jasmin Gröschl, Feodora Teti: Die Auswirkungen der Russland-Sanktionen auf Unternehmen, ifo Schnelldienst, 2021, 74, Nr. 01, 43-48