Willst du, dass ich sterbe, Mutter?
Ein herzzerreißender Film über den Riss, der russische Familien wegen des Kriegs spaltet
Ein Sohn will nicht am Krieg teilnehmen, eine Mutter sagt, Soldaten hätten einen Eid geschworen und müssten ihr Land verteidigen. Er fragt sich: Gegen wen? Und er fragt sie: Willst du, dass ich sterbe?
Sie nennt ihn „Verräter“. Er sagt, er hätte erwartet, dass seine Mutter ihm rät, er solle auf sich aufpassen und sich nicht in Gefahr begeben und zuhause zu bleiben. Nicht: Hallo, Faschist.
Paar trennen sich, Mütter und Töchter reden nicht mehr miteinander. Solche Familienkonstellationen, die sich mit Putins Krieg gebildet oder verfestigt haben, geht Andrei Loschak nach. Menschen, die sich gegenseitig für hypnotisiert nennen, von der Propaganda verführt, wie Mitglieder einer Sekte.
Loschak, geboren 1972 in Moskau, ist ein bekannter russischer Fernsehjournalist und Dokumentarfilmer. Er drehte Reportagen und Filme über die russische Gesellschaft, berichtete über Nationalismus, die Drogen- und die Hackerszene. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine verließ er das Land und ging nach Georgien.
Was er nun messerscharf – einem Mediziner mit einem Röntgenapparat gleich – mit Kamera und Mikrofon an Friktionen und Frakturen innerhalb russischer Familien detektiert, ist herzzerreißend; hin und wieder stockt der Atem, unwillkürlich schüttelt etwas den Kopf des ungläubigen Zuschauers. Und hinter all dem Schaudern steht die Frage: Wie sollen diese Welten jemals wieder miteinander auskommen?
Der Film ist abrufbar auf youtube.