Kommt jetzt eine neue Russlandpolitik?

Zwei Parteien, die als russlandkritisch gelten, könnten bald das Außenministerium besetzen

Kommt jetzt eine neue Russlandpolitik?
Die Wahlen sind Geschichte. Aber wie sieht die Russlandpolitik der Zukunft aus?
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Wie weiter mit Russland? Für Wladimir Putin war mit Blick auf Deutschland das Schlimmste schon eingetreten, bevor die Deutschen wählten: Die verlässliche, ausgleichende Angela Merkel würde bald nicht mehr da sein. Die Kanzlerin, die ein Gefühl für Russland hat, einen besonderen Zugang, suchte immer den Kompromiss. Sie trennte stets die Debatten über Krim, Ostukraine und Nawalny von der Wirtschaftspolitik, hier besonders Nord Stream 2.

Der Mann im Kreml wird die Bundeskanzlerin vermissen. Und vermutlich wird er Armin Laschet nicht bekommen, der nach der Annexion der Krim einen „generellen Anti-Putin-Populismus“ in Deutschland kritisiert hatte. Mit ihm wäre es, so dürfte die russische Führung gehofft haben, weitergegangen wie bisher.

Das wollen hierzulande viele Politiker nicht, gerade für den Umgang mit Russland wünschen sie klare Kante, auch Politiker im europäischen Ausland. Auch die beiden Parteien, aus deren Reihen vermutlich das Außenministerium besetzt wird, haben mehr Härte gegenüber Russland angemahnt. Sie wollen an den Sanktionen nicht nur ausweislich ihrer Wahlprogramme festhalten, sondern sie „bei Bedarf verschärfen“.

Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock hatte schon im April gefordert. „Das Wichtigste ist derzeit, den Druck auf Russland zu erhöhen, damit das Minsker Abkommen eingehalten wird.“ Aber sie sprach auch von Dialog.

Cem Özdemir äußerte sich kürzlich gegenüber der Bild-Zeitung so: „Wir stehen klar an der Seite des Oppositionspolitikers Alexei Nawalny und positionieren uns eindeutig gegen Nord-Stream 2.“ Baerbock, so sagte er, „kuschelt nun Mal nicht mit Diktatoren“.

Für Alexander Graf Lambsdorff (FDP) ist Russland derzeit ein frenemy, Freund und Feind zugleich, aber auch er will bessere Beziehungen zu Russland „in der Tradition Hans-Dietrich Genschers“, wie er es formulierte.

Für Reinhard Veser ist das offenbar zu weiche Politik. In der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung nannte er die Grünen „die einzige Partei im Bundestag, aus der eine realistische Einschätzung der russischen Politik zu hören ist“. Sie hätten auch „die deutlichste Vorstellung davon, wie Putins Regime begegnet werden könnte“.

Zufrieden scheint Veser mit der Partei trotzdem nicht zu sein. „Wegen ihrer pazifistischen Geschichte drücken sie sich auf einem wesentlichen Politikfeld davor, die nötigen Konsequenzen zu ziehen: der Verteidigungspolitik.“

Was er damit konkret meint, muss das Publikum erraten: Aufrüstung und 2‑Prozent-Ziel? Gar militärische Schritte?

Gemeinsame Interessen in der Russlandpolitik

Gemach! Die Grünen haben mit Blick auf ihr wichtigstes Projekt festgehalten, dass die globale sozial-ökologische Transformation „ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich sein“ werde. Auch die FDP plädiert für „einen konstruktiven Klima-Dialog mit Russland“. Für die Liberalen bleiben Deutschland und Europa Russland „menschlich, kulturell und wirtschaftlich eng verbunden“. Die Gesprächskanäle sollten offenbleiben. Ziel bleibe der „Wiederaufbau von Vertrauen“.

Es wird also keinen radikalen Neustart geben. Dagegen spricht auch:

Die FDP wollte wie die CDU einen nationalen Sicherheitsrat einrichten – im Kanzleramt.

Die großen Linien der Außenpolitik hat in den letzten Jahren ohnehin nicht das Außenministerium festgelegt, sondern die Kanzlerin.

Die großen Linien werden außerdem in Brüssel festgelegt, wo der nächste Bundeskanzler nicht automatisch eine Merkelsche Reputation genießen wird und vielleicht Emmanuel Macron das Wort führen wird, der immer wieder für bessere Beziehungen zu Russland eingetreten ist.

US-Präsident Joe Biden schließlich ist zurückgekehrt zu einem pragmatischen Umgang mit dem Kreml. Man redet wieder miteinander, und die USA nutzen den Dialog, so Alexander Golz, um „dem Kreml klarzumachen, welches Verhalten unausweichlich einen Preis haben würde“.

Alles in allem: Zu empfehlen ist denen, die sich um den deutsch-russischen Dialog sorgen, ein gewisser Grad Gelassenheit. Auch Verantwortungsbewusstsein, der „Draht nach St. Petersburg“ oder besser: der Draht zum Petersburger (nämlich Putin) sollte nicht wie nach dem Ende von Bismarcks Diplomatie gekappt werden, Russland mittelfristig besser an Europas als an Chinas Seite stehen, um einen neuerlichen cauchemar des coalitions zu vermeiden.

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