Samisdat

Samisdat: Verbotene russische Literatur in Deutschland

20. Juli 1946: Erste Ausgabe der Zeitschrift Grani – aus einem ehemaligen deutschen Zwangsarbeiterlager

Samisdat in Deutschland: Die Zeitschrift Grani
Samisdat in Deutschland: Die Zeitschrift "Grani" brachte in der UdSSR verbotene Texte von A wie Achmatowa bis Z wie Zwetajewa in Deutschland heraus – und auch in die Sowjetunion zurück.

Literatur war in der UdSSR eine ernste Sache. Die Zensur prüfte jedes Manuskript und ließ zahlreiche Bücher nicht erscheinen. Bei der Verbreitung half deshalb ein „alternatives“ Konzept: Samisdat.

Sam bedeutet auf Russisch „ich selbst“, isdat ist eine Abkürzung des Worts Isdatelstwo, der Verlag. Samisdat hieß in der Praxis: Die Autoren kopierten ihre Texte selbst, oft auch deren Leser; meistens geschah das auf Schreibmaschinen, immer mit bescheidenen finanziellen und technischen Mitteln. Die Kopien wurden anschließend über inoffizielle Kanäle verbreitet. Oft wurden die Texte auf diese Weise im Ausland veröffentlicht.

Einer der ersten Zeitschriften solcher Art war die Literaturzeitschrift Grani (Facetten). Die erste Nummer erschien am 20. Juli 1946. Gegründet von Eugenij Romanov, kam die Zeitschrift bis 1991 in Frankfurt am Main heraus; dann zog die Redaktion nach Moskau um.

Die ersten drei Ausgaben der Zeitschrift entstanden in Mönchehof bei Kassel, in einem ehemaligen Lager für Zwangsarbeiterlager, später für Emigranten und Heimatvertriebene. Wie Romanov schrieb, gab es damals kaum genug Papier. Die Kopien der Zeitschrift verkauften sie gegen Zigaretten und Kaffee, die ihre Leser von Amerikanern bekommen hatten.

Von Achmatowa bis Zwetajewa: Rückkehr in die UdSSR

Laut Der Spiegel druckte Grani 1957 anonyme Gedichte, die sich später als Epilog zu Boris Pasternaks Roman „Doktor Schiwago“ herausstellten. 1960 übergab der politische Gefangene und Bildhauer Michail Nariza einem deutschen Kaufmann seinen Roman „Das ungesungene Lied“. Der Kaufmann brachte ihn nach Deutschland, der Text erschien bei Grani. Sowjetische Verlage wollten und durften den Roman damals nicht drucken.

Über Grani gelangten auch viele Werke in der Sowjetunion. Auslandsreisende nahmen die Manuskripte mit, die Exil-Zeitschriften druckten die Werke und wurden in die Heimat zurück geschmuggelt. So veröffentlichte Grani die Werke von Joseph Brodsky, Anna Achmatowa und Marina Zwetajewa sowie Alexander Solschenizyn oder Iwan Bunin. Die Werke dieser Schriftsteller, die seit Jahrzeiten als Klassiker gelten und zum Lehrstoff an Schulen gehören, waren in der UdSSR verboten.  TF