Ukraine: „Die Nato eskaliert nicht“

Nato-Generalsekretär Stoltenberg: „Das Bündnis reagiert auf ruhige und angemessene Art“, Süddeutsche Zeitung 2.12.2022

von KARENINA
Nato-Generalsekretär Stoltenberg im Interview mit der SZ

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg klare Antworten gegeben: Die Ukraine gehöre nicht in Russlands Einflusssphäre, sagte er. Die Tür der Nato stehe dem Land offen, aber über die Mitgliedschaft müssten die Ukraine und die 30 Mitgliedsländer der Allianz entscheiden – „niemand sonst“. Zunächst aber käme es darauf an, „die Ukraine als unabhängigen Staat zu erhalten. Um eine Nato-Mitgliedschaft wird es dann später gehen.“

Minsker Abkommen

Zum Minsker Abkommen räumte er ein, dass – so lautete die Frage der Interviewer Daniel Brössler und Hubert Wetzel – es „2015 der Ukraine Zeit gegeben (hat), um sich auf eine Invasion Russlands vorzubereiten“. Stoltenberg: „Das Minsker Abkommen war das, was damals zu erreichen war, um die Kämpfe zu beenden. Aber wir haben gesehen, dass die ukrainische Armee damals viel schwächer war als heute. Seit 2014 haben Nato-Verbündete – vor allem die USA, Kanada und Großbritannien – Zehntausende ukrainische Soldaten ausgebildet. Die Nato hat der Ukraine geholfen, militärische Fähigkeiten aufzubauen. Als die Russen dann dieses Jahr wieder einmarschiert sind, war die ukrainische Armee viel größer, viel besser ausgerüstet, viel besser ausgebildet und geführt. Sie konnte sich wehren.“

Verhandlungen mit Russland?

Zu möglichen Verhandlungen sagte Stoltenberg, dass die meisten Kriege am Verhandlungstisch endeten und das auch bei diesem „wohl so sein“ werde. Was dann dort geschehe, sei „untrennbar mit der Lage auf dem Schlachtfeld verbunden“. Das soll offenbar heißen: Die Ukraine muss ihre militärische Lage noch verbessern. Mit Stoltenbergs Worten: Der Westen müsse „der Ukraine helfen, eine Situation zu erreichen, in der sie mit Russland auf eine Weise verhandeln kann, die sicherstellt, dass sie ein souveräner, unabhängiger Staat bleibt“. Entscheiden müsse die Ukraine. Aber: „Wir brauchen einen dauerhaften Frieden. Den bekommen wir nicht, wenn der Aggressor gewinnt, wenn Tyrannei und Unterdrückung über Demokratie und Freiheit siegen.“

Nato Kriegspartei?

Die Nato sei nicht Kriegspartei. „Wir haben keine Nato-Truppen in der Ukraine“, betonte Stoltenberg. Aber die Nato unterstütze die Ukraine. „Das macht uns nicht zur Kriegspartei, und wir werden uns auch nicht in diesen Konflikt hineinziehen lassen. Aber abseitszustehen und nichts zu tun, wenn ein souveränes Land in Europa von Russland besetzt wird, würde unsere Werte verletzen, wäre eine große Niederlage für Freiheit und Demokratie und würde uns verwundbarer machen.“

Mit Blick auf den Raketeneinschlag auf polnischem Gebiet vor zwei Wochen sagte Stoltenberg, der Vorfall habe gezeigt, „dass die Nato auf eine ruhige, angemessene Art reagiert, nicht eskaliert“.

Anerkennung für Deutschlands Beitrag

Zu Vorwürfen gegenüber Deutschland und Bundeskanzler Scholz wegen angeblich zu geringem Engagement sagte Stoltenberg: „Manchmal wird der Eindruck erweckt, Deutschland tue gar nichts. Es gibt wenige Länder im Bündnis, die mehr tun als Deutschland.“ Die Nato verstehe, „dass es Zeit braucht, Kampfflugzeuge der fünften Generation oder moderne Helikopter anzuschaffen. Es nützt unserer Sicherheit nicht, wenn 100 Milliarden Euro hastig und schlecht ausgegeben werden.“  PHK

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