KARENINA-Kommentar

Machiavelli ist wieder da

Heute heißt es wieder: ‚Mit Wankelmut und Nachgiebigkeit erreicht man gar nichts.‘

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Fünf Jahrhunderte nach Niccolò Machiavelli gilt wieder: Der Zweck heiligt die Mittel. Staatsräson sind Machtgewinn und Machterhalt – und die heutigen Fürsten glauben sogar, ans eigene Wohl denken und sich am Besitz seiner Untertanen gütlich tun zu dürfen. Es gilt das Recht des Stärkeren und den Schein zu wahren.

Muskelspiel und Säbelrasseln, Erpressung und Eskalation, sogar Gewalt und Terror sind wieder probate Mittel, „um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen“, wie Clausewitz es nannte.

Anstand und Ethik, gar Werte und Moral? Naiv und weltfremd. Heute heißt es wieder mit Machiavelli: „Mit Wankelmut und Nachgiebigkeit erreicht man gar nichts.“

Beispiel Russland: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sprachen Kohl und Gorbatschow von einem „gemeinsamen Haus Europa“. Später glaubte Putin mit vielen im Westen an eine „harmonische Wirtschaftsgemeinschaft von Lissabon bis Wladiwostok“: strategische Allianzen von Unternehmen, Zusammenarbeit, Visafreiheit, Freihandel und Integration Russlands und der EU.

Aber nichts da: Putin wurde vom Westen „gewogen und zu leicht befunden“. Von der Regionalmacht Russland sprach Barack Obama damals. Und als Putin bemerkte, dass er nicht eingeladen war zum großen Spiel, begann er seine eigene Politik – eine fatale.

Seit 2014 sollen Sanktionen ihn zähmen: Verbote für Exporteure, Importeure und Kreditgeber, dazu Reiseverbote und eingefrorene Konten. Das „Reich des Bösen“ zahlt mit gleicher Münze zurück. Militärische Muskelspiele hüben wie drüben. Atomwaffenkontrolle abgeschafft, neue Rüstungseskalation.

Das Spiel begann harmlos als Armdrücken, im fortgeschrittenen Stadium als Auge um Auge, Zahn um Zahn. Was im Kinderzimmer noch üblich ist, gilt heute in der Politik als probates Mittel.

Weltweit ist ein Wettbewerb ausgebrochen, wessen Sanktionen siegreicher, Boykotte brutaler, Zölle zerstörerischer wirken. Es wird gelogen und manipuliert, dass es den Machiavelli-Apologeten eine Freude ist. Im Krieg – und haben wir den nicht? – ist alles erlaubt. Die Mächtigen des 21. Jahrhunderts, so scheint’s, wollen wieder beweisen, dass doch das Recht des Stärkeren gilt.

Ist das zeitgemäße Politik? Und zeigt sie überhaupt Wirkung?

Jedenfalls nicht in Russland. Putin ist noch da, die Machtlosen und Armen ebenfalls. Kaum jemand geht es dort besser als zu Zeiten, als eine europäisch-russische Zusammenarbeit greifbar schien.

Heute warnt nicht nur Matthias Platzeck in KARENINA vor Krieg, für Clausewitz „die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“.

Der wusste noch nichts von Verdun, Dresden und Hiroshima. Und die es besser wissen könnten, haben das anscheinend nach 75 Jahren Frieden in Europa vergessen. Die nächste Generation der Schlafwandler scheint an den Schalthebeln der Macht zu sitzen.

Liebe Christen in Ost und West, man muss einander ja nicht die andere Wange hinhalten. Aber vielleicht mal zuhören, ohne sich gleich zu empören und die Bajonette aufzupflanzen? Vielleicht sind die Argumente und Interessen der anderen Seite ja – berechtigt?

Aber vermutlich wird es weitergehen wie gehabt. Und am Ende ist’s wieder niemand gewesen.

Die Welt war schon mal vernünftiger.

Machiavellis „Helden“ sind zurück.

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