Killer und Kalter Krieg
Russland und die USA rüsten verbal auf, keine gute Nachricht für den Weltfrieden
Soll man Putin jetzt einen Räuber nennen? Nachdem er Tausende von ausländischen Grundstückseigentümern auf der Krim enteignet hat? In der Diktion von Joe Biden müsste man das.
Er hat Putin unlängst als „Killer“ bezeichnet und damit erwartungsgemäß wütende Reaktionen bei den russischen Staatsmedien ausgelöst. Aber nicht nur dort! Auch in der westlichen Presse hält man solche Äußerungen für wenig hilfreich; manche fürchten zurecht die Eskalation.
Putins eigene Reaktion war hingegen viel amüsanter. Er wünsche dem alten Mann im Weißen Haus gute Gesundheit. Eins zu Null für ihn, meint der Putin-Experte Michael Thumann.
Man würde sich dieser Sichtweise gerne anschließen, wenn nicht sofort wieder schlechte Nachrichten aus dem Kreml kämen. Man weiß inzwischen tatsächlich nicht, legt es Putin auf eine Machtprobe an, oder entgleiten ihm langsam die Dinge.
Jetzt geht wieder das übliche Säbelgerassel los mit amerikanischen Sanktionen und der Rückbeorderung des russischen Botschafters. Der amerikanische Präsident kündigt weitere Maßnahmen an, und Russland könnte sich an amerikanischen Institutionen rächen. Vom Kalten Krieg 2.0 ist die Rede. Für den russischen Staatsender Rossiya ist der schon da.
Trotz Biden: alles wie gehabt
Dabei hatte es nach dem Präsidentschaftswechsel in Washington so vernünftig begonnen. Biden setzte sofort das neue START-Abkommen zur Rüstungskontrolle in Kraft, das sein Vorgänger leichtfertig abgelehnt hatte.
Doch diese Entspannungssignale sind bereits wieder vergessen. Man staunt, wie schnell so etwas heute geht. Gestern dachte man noch, dass wieder Vernunft in die Weltpolitik einkehren wird. Heute spricht man von „Killern“ und will den „Zerfall des Westens“ jetzt stoppen.
Alle Konfliktthemen sind über Nacht wieder da, wie die Einmischung des Kremls in die amerikanischen Wahlen. Im Iran droht die Atomfrage außer Kontrolle zu geraten; und aus China weht ein eisiger Wind. Von Moskau hat man kaum etwas anderes erwartet; aber auf Biden ruhten die Hoffnungen doch.
Der aber ist vor allem mit Impfen beschäftigt, und an der mexikanischen Grenze droht sein erstes Debakel. Naiv war und ist, wer glaubt, dass es in der Weltpolitik um Gedichte geht; um schöne Worte in Versen. Auch prächtige Inszenierungen finden ihr Ende. Das sehen wir derzeit wieder.
Wir sind auch schon wieder da, von wo wir schleunigst wegkommen wollten: dass die multilaterale Welt als Wundertüte betrachtet wird – durchaus auch mit giftigem Inhalt. Schneller als gedacht meldet sich die alte Einsicht zurück, dass es in der Politik nicht um Freunde geht, sondern um Interessen.
Man hat das in Deutschland so gerne verdrängt und muss es jetzt schnell wieder lernen. Wenn wenigstens die mediale Begleitmusik leiser wäre, wo von Vergeltung die Rede ist und vom Stirnbietenmüssen. Wir werden so schnell keine Freundschaft mit Russland mehr haben. Aber auf ein vernünftiges, im Idealfall sogar kalkulierbares Auskommen – darauf sollten wir achten.