Moldawien

Moldawien 1941: Spielball der Großmächte

Nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion übernimmt Rumänien Bessarabien und die Bukowina

von Alexander Frese
Bessarabien 1941 Pioniere beim Bau einer Behelfsbrücke über den Pruth.
Juli 1941: Deutsche Pioniere beim Bau einer Behelfsbrücke über den Pruth. Wenig später gehörte Bessarabien wieder zu Rumänien.

Die Wiedereingliederung Moldawiens in das Königreich Rumänien am 29. Juli 1941 war einer von drei nationalen „Seitenwechseln“, die der Landstrich zwischen Pruth und Dnister binnen fünf Jahren über sich ergehen lassen musste.

Begonnen hatte es mit dem Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939 und dem „geheimen Zusatzprotokoll“, mit dem die beiden totalitären Diktaturen Osteuropa in Interessensphären aufgeteilt hatten. Eine Woche später überfiel das nationalsozialistische Deutschland Polen und verursachte damit den Zweiten Weltkrieg.

Aber auch die stalinistische Sowjetunion agierte ausgesprochen aggressiv im Rahmen der von ihr beanspruchten Interessensphäre. Die Rote Armee marschierte am 18. September 1939 ebenfalls in Polen ein, griff am 30. November 1939 Finnland an, und annektierte im Sommer 1940 die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland.

In dem „Geheimen Zusatzprotokoll“ vom 23. August 1939 war unter Punkt 3 auch das Gebiet des heutigen Moldawiens genannt: „Hinsichtlich des Südostens Europas“, hieß es dort, „wird von sowjetischer Seite das Interesse an Bessarabien betont. Von deutscher Seite wird das völlige politische Desinteressement an diesem Gebiet erklärt.“ Fast unvermeidlich kam es deshalb am 26. Juni 1940 zu einer „ultimativen Note“ der sowjetischen Führung an die rumänische Regierung, Bessarabien und die nördliche Bukowina der Sowjetunion „zurückzugeben“.

Unter erheblichem Druck gab Rumänien nach; bereits am 28. Juni 1940 marschierte die Rote Armee in das geforderte Gebiet ein. Anfang August 1940 wurde die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik als Teil der Sowjetunion proklamiert. Eine Welle von Repressionen und Deportationen ging über das Land hinweg.

Moldawiens wechselvolle Geschichte

Tatsächlich war die östliche Hälfte des lange unter osmanischer Herrschaft stehenden Fürstentums Moldau am Ende des Russisch-Türkischen Kriegs 1806 – 1812 an das Russische Reich gefallen, das aus der Region das Gouvernement Bessarabien machte. In den Wirren des Russischen Bürgerkriegs war dieses Gebiet kurzzeitig Teil der „Sowjetrepublik Odessa“, wurde nach einer Unabhängigkeitserklärung noch im Frühjahr 1918 von rumänischen Truppen erobert und anschließend durch Rumänien annektiert. Verhandlungen mit der Sowjetunion über den Status Bessarabiens scheiterten in den 1920er‑Jahren, und auch nach Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Regierungen im Jahr 1934 blieb der Status Bessarabiens strittig.

Ein Jahr nach dem sowjetischen Ultimatum marschierten gemeinsam mit der nazideutschen Wehrmacht auch rumänische Truppen in die Sowjetunion. Bereits ein Monat später war das 1940 abgetretene Gebiet wieder unter rumänischer – und deutscher – Kontrolle. Antisemitische Pogrome bei der Eroberung wurden bald von der planmäßigen und systematischen deutschen Vernichtungspolitik gegenüber der jüdischen Bevölkerung und den Roma abgelöst.

Am 29. Juli 1941, vier Tage nach Abschluss der rumänischen Rückeroberung Bessarabiens, erklärte die Führung in Bukarest, Bessarabien und die nördliche Bukowina würden nach Rumänien „zurückkehren“. Als Bessarabische Gouverneurschaft oder Gouvernement Transnistrien wurde die Gegend nun auch administrativ ein Teil „Großrumäniens“. Aber auch diese neue Herrschaft währte nicht lange.

Ab Frühjahr 1944 rückte die sowjetische Armee auch dort wieder auf zuvor verlorenes Territorium vor. In den Waffenstillstandsbedingungen, welche die Sowjetunion am 8. April 1944 Rumänien präsentierte, wurde die Wiederherstellung der Grenzen vom 28. Juni 1940 gefordert. Diese Grenze lag dann auch dem Waffenstillstand vom 12. September 1944 zugrunde und ebenfalls dem Friedensvertrag mit Rumänien vom 10. Februar 1947.

Im Zeichen der „sozialistischen Völkerfreundschaft“ rührte die offizielle Politik über Jahrzehnte nicht mehr an der zuvor so lange umkämpften Frage der Zugehörigkeit Bessarabiens. Die Sowjetunion mit ihrer Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik und die 1947 ausgerufene Rumänische Volksrepublik schienen die Frage endgültig ad acta gelegt zu haben, trotz einer später zunehmend auf Distanz zur Sowjetunion und Eigenständigkeit bedachten rumänischen Außenpolitik.

Im April 1991 wurde die rumänisch-sowjetische Grenze dem Ende des Kommunismus in Rumänien in einem Abkommen mit der damals noch existierenden Sowjetunion erneut bestätigt, der Vertrag wurde vom rumänischen Parlament anschließend aber nicht ratifiziert. Vier Monate später erklärte sich Moldawien unabhängig.

Die hoffentlich abschließende Regelung einer Frage war mit der Unabhängigkeitserklärung Transnistriens 1990 aber begleitet vom Ausbruch eines neuen Streits. Gelöst ist dieser frozen conflict bis heute nicht. So bleibt die Republik Moldau bis heute ein Zankapfel, Grenzgebiet und Grauzone – die zwar keineswegs grau ist, hierzulande leider aber noch viel zu wenig bekannt.

Zum Weiterlesen: Charles King: „The Moldovans. Romania, Russia and the Politics of Culture“, Stanford, CA: Hoover Institution Press, 2000.