Ukraine: Landraub durch den Westen?

Slavoj Zizek: Kolonialisierung und Landraub sind in vollem Gange, Berliner Zeitung, 29.8.2022

von KARENINA
Slavoj Zizek behauptet Landraub in der Ukraine durch den Westen

Slavoj Zizek provoziert mal wieder: Der slowenische Philosoph sieht die Ukraine auf dem Weg, eine wirtschaftliche Kolonie des Westens zu werden. Wie kommt er zu dieser Einschätzung?

„Von allen postkommunistischen Ländern Osteuropas wurde die Ukraine von der ‚Schocktherapie‘ der kapitalistischen Restauration am härtesten getroffen“, beginnt der 73-Jährige. Einkommen und Lebensqualität lägen unter dem Niveau von 1990, die Armut grassiere, die Strafverfolgungsbehörden hätten bei der Eindämmung der Korruption völlig versagt. Und so sei die „Umstellung“ auf den Kapitalismus wie üblich verlaufen: „Eine Klasse von Oligarchen und eine schmale Elite haben sich überproportional bereichert, indem sie den öffentlichen Sektor mit der Komplizenschaft der politischen Klasse ausgeplündert haben.“

Gleichzeitig habe der Westen seine finanzielle Hilfe an Reformen geknüpft, die die Ukraine umsetzen musste, „alles unter dem Banner der Haushaltsdisziplin und Sparsamkeit“. Und deshalb sei die Ukraine „keine blühende Demokratie“.

Ukraines fruchtbarer Boden

Nach einem längeren Exkurs auf Putins Rede vom 16. August 2022 kommt Zizek auf „einen anderen Aspekt der Vorgänge in der Ukraine, der viel mehr Aufmerksamkeit verdient“: auf das fruchtbare Land der Ukraine, das „ein sehr wichtiger Vermögenswert“ sei. Die Felder dort seien „voll von Tschernozem (‚schwarzer Boden‘), einem schwarz gefärbten Boden mit einem hohen Humusanteil und einem hohen Anteil an Phosphorsäuren, Phosphor und Ammoniak“. Mit anderen Worten: ein Boden, der hohe landwirtschaftliche Erträge liefern kann.

Deshalb wiederum zeigten „große Konzerne seit Jahrzehnten großes Interesse am Erwerb von Grund und Boden in der Ukraine“. Mindestens ein Drittel davon sei schon im Besitz amerikanischer und westeuropäischer Großunternehmen. Wegen dieser „Bedrohung“ habe die Ukraine vor 20 Jahren ein Moratorium für Landverkäufe an Ausländer verhängt. Unter dem Druck des US-Außenministeriums, der IWF und der Weltbank habe die Regierung Selensky dieses Moratorium jedoch 2020 aufgehoben.

„Die grausame Ironie besteht darin“, so Zizek, „dass Russland zwar die Ukraine mit brutaler Waffengewalt kolonisiert, dass aber die Behauptung Russlands, die Ukraine sei nach 1990 eine westliche Wirtschaftskolonie gewesen, einen Moment der Wahrheit enthält.“

Um nicht Opfer einer neoliberalen Kolonisierung zu werden, müsse die Ukraine sich „neu erfinden und nicht nur versuchen, mit dem Westen gleichzuziehen. Eine wirtschaftliche Kolonie des Westens zu sein, ist sicherlich besser, als als Nation im neuen russischen Imperium zu verschwinden, aber es ist einfach nicht gut genug und des Leids, das die Ukraine jetzt durchmacht, nicht würdig.“  PHK

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