Olaf Scholz: „Es darf keinen Atomkrieg geben“
Bundeskanzler Scholz über den Krieg und Waffenlieferungen, Der Spiegel 17/2022, 22.4.2022
Bundeskanzler Scholz ist kein Pazifist. Das sagte er im Interview mit Melanie Amann und Martin Knobbe. Auch die SPD sei nicht eine pazifistische Partei, sondern „eine Friedenspartei“. In der Welt, in der wir leben, sei es „notwendig, die eigene Sicherheit auch mit einer ausreichenden Verteidigungsfähigkeit zu gewährleisten“.
Dabei, so Scholz, helfe man auch der Ukraine. Aus den Beständen der Bundeswehr habe Deutschland „Panzerabwehrwaffen, Flugabwehrgeräte, Munition, Fahrzeuge und viel Material geliefert, das der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf unmittelbar geholfen hat“. Das sei an den militärischen Erfolgen der ukrainischen Armee zu sehen. Die Möglichkeiten der Bundeswehr, aus ihrem Arsenal weitere Waffen zu liefern, seien „weitgehend erschöpft“. Alles, was verfügbar gemacht werden kann, werde geliefert. Deutschland stelle insgesamt zwei Milliarden Euro zur Verfügung, ein großer Teil davon komme direkt der Ukraine zugute.
Die Behauptung, die Rollenverteilung im Krieg sei: „Andere liefern schweres Kriegsgerät, Deutschland zückt das Scheckbuch“, nannte Scholz falsch. Es gehe darum, schnell einsetzbares Gerät zu liefern. Scholz nannte Truppentransporter und Artillerie. „Deshalb sind wir bereit, unseren Verbündeten beim Schnell-Training auf diesen Geräten zu helfen und schauen, ob sich geeignetes Gerät unsererseits noch beschaffen lässt.“
Das militärische Gerät müsse „ohne langwierige Ausbildung, ohne weitere Logistik, ohne Soldaten aus unseren Ländern eingesetzt werden können“. Das sei am schnellsten mit Waffen aus ehemaligen sowjetischen Beständen der Fall, „mit denen die Ukrainer gut vertraut sind“.
Deshalb lieferten mehrere osteuropäische Nato-Partner jetzt solche Waffen „und bisher kein Bündnispartner westliche Kampfpanzer“. Die Lücken, die bei den Partnern entstünden, würden mit Ersatz aus Deutschland gefüllt.
Für Deutschland gelte: „Liefern kann man nur, was man hat und hergeben kann.“ Die Sparpolitik bei der Bundeswehr habe ihre Spuren hinterlassen.
Man müsse darauf achten, „wie einsatzfähig welches Material wirklich ist – und wann“. Und man dürfe nicht vergessen, dass das Nato-Bündnisgebiet jederzeit verteidigt werden kann. „Denn die Bedrohung des Nato-Gebiets durch Russland besteht ja fort.“
In dieser Lage „braucht es einen kühlen Kopf und gut abgewogene Entscheidungen“, sagte Scholz. Er habe schon früh darauf hingewiesen, „dass wir alles tun müssen, um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden. Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben.“
Ein Gasembargo werde den Krieg nicht beenden, sagte Scholz. Und man müsse auch an die Folgen denken: eine dramatische Wirtschaftskrise, Verlust von Millionen Arbeitsplätzen und Fabriken. PHK
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