Russland einbinden, um China zu bremsen
Charles Kupchan: The Right Way to Split China and Russia. Washington Should Help Moscow Leave a Bad Marriage, Foreign Affairs, 4.8.2021
Joe Biden kann Chinas Aufstieg nicht stoppen, so Charles Kupchan, „aber er kann seinen Einfluss begrenzen, indem er versucht, seinen größten Kollaborateur von China abzuwerben: Russland“.
Diese Partnerschaft, so der Senior Fellow am Council on Foreign Relations und Professor für Internationale Politik an der Georgetown University, erweitere Chinas Ehrgeiz und Reichweite beim Kampf um die Kontrolle weltweiter Institutionen und beim Kampf zwischen Demokratie und illiberalen Alternativen. Im Windschatten von Chinas wachsendem Gewicht könne auch Russland sein Gewicht auf der globalen Bühne erhöhen und seiner Kampagne Schwung verleihen, demokratische Herrschaft in Europa und den USA zu untergraben.
Sowohl Russland als auch China hätten etwas von der Partnerschaft: Russland könne sich auf seine westliche Grenze konzentrieren, China auf seine Meeresflanke; Russland profitiere von Energie- und Waffenverkäufen, Chinas Wirtschaft expandiere und das Militär erhöhe seine Möglichkeiten durch russische Waffen.
Aber China sei wirtschaftlich ungleich mächtiger als Russland, technologisch innovativer, verfüge über eine viel größere Bevölkerung; und seine Belt and Road Initiative (BRI) sei ein „tiefer Einfall in Russlands traditionelle Einflusssphäre in Zentralasien“. Außerdem sei der Kreml „berechtigterweise besorgt“ über Chinas Planungen in der Arktis. „Dass Russland trotz solcher Asymmetrien noch immer an China festhält, ist ein deutliches Zeichen der Unzufriedenheit mit dem Westen.“
Die Verbindung zwischen China und Russland erscheine stark, so Kupchan, aber es gebe Brüche unter der Oberfläche einer „asymmetrischen Partnerschaft“. Das eröffne Biden Chancen. Seine Regierung solle Russlands Bedenken wegen seiner Rolle als Chinas Juniorpartner in einer ungleichen Partnerschaft ausnutzen.
Washington sollte dieses Unbehagen ausnutzen und Russland davon überzeugen, dass es geopolitisch und ökonomisch besser wäre, sich gegen China abzugrenzen und dem Westen zuzuneigen. Gründe gäbe es genug: die historischen gegenseitigen Animositäten in der Bevölkerung; die wachsende ökonomische Abhängigkeit Russlands von China; die Mandschurei, wo es, laut Dmitri Trenin (Moscow Carnegie Center), möglicherweise zu einer Übernahme komme; Chinas „Arctic Silk Road” – eine „eindeutige Herausforderung für Russlands Strategie in der Region“; Chinas Aufrüstung.
Nord Stream 2 und Sanktionen
Um Russland in Richtung Westen zu drehen, sollte Washington zuerst sein Strategie-Narrativ „Demokratie gegen Autokratie“ fallen lassen, so Kupchan. Das treibe China und Russland zueinander. Er empfiehlt eine „ehrliche Diskussion mit Moskau über Bereiche, in denen die nationalen Interessen der USA und Russlands sich überlappen, einschließlich die China betreffenden“. Sicher blieben Konflikte in vielen Bereichen. Aber es gebe eine gemeinsame Basis in vielen Fragen, auch bei der strategischen Stabilität, Cybersicherheit, Klimawandel. „Dieser Dialog, auch ohne schnelle Fortschritte, würde Moskau signalisieren, dass es andere Optionen hat als den Anschluss an China.“ Die USA sollten auch seine demokratischen Verbündeten in diese Richtung drängen.
Bidens Entscheidung bezüglich Nord Stream 2 „war eine weise Investition zur Ermutigung zu tieferen Handelsverbindungen zwischen Russland und Europa“, so Kupchan. Die Sanktionen gegen Russland, obgleich notwendig, hätten Russland weiter in China ökonomische Umarmung getrieben. „Die USA und ihre Partner sollten sich zweimal überlegen, bevor sie neue Sanktionen einführen.“ Sie sollten diplomatische Lösungen im Konflikt um die Ostukraine und russische Cyberattacken suchen. Sie sollten Russland beim Kampf gegen Klimawandel und beim Übergang von fossiler zu grüner Energie helfen. Und sie sollten mit Russland über strategische Stabilität sprechen, wie in Genf vereinbart. PHK