Nato: Aufnahme der Ukraine wäre ’strategischer Wahnsinn‘

Die Nato soll auf die Aufnahme weiterer Mitglieder verzichten, schreibt Michael Kimmage in Foreign Affairs, 17.1.2022

von KARENINA
Foreign Affairs über Nato, Russland, Ukraine

Die Nato leidet unter einem schwerwiegenden Konstruktionsfehler, scheibt Michael Kimmage im Foreign Affairs. „Sie dehnt sich bis tief in den Hexenkessel der osteuropäischen Geopolitik, ist zu groß, zu ungenau definiert und zu provokativ auch für das eigene Wohl.“

Die Allianz sei „ein lockeres und ausgebeultes Monster aus 30 Ländern“, und „die schiere Größe des Bündnisses und die Undurchsichtigkeit seiner Mission riskieren, die Nato in einen großen europäischen Krieg zu verwickeln“.

Um ihren strategischen Zweck und ihre Defensivkapazitäten zu vereinfachen, solle die Nato „öffentlich und ausdrücklich auf die Aufnahme weiterer Mitglieder verzichten“. Die Phase der Expansion sei vorüber. „Größer ist nicht besser.“

Bis 1989 habe die Nato „brillant“ gearbeitet, urteilt Kimmage: Sie habe den Westen gegen die Sowjetunion verteidigt, aus den Feinden Frankreich, Deutschland und UK standhafte Alliierte gemacht sowie in Europa den Frieden gesichert.

Dann habe die Nato sich neu definiert. Sie habe weiter für europäischen Frieden und Sicherheit gesorgt, sich im Geist der deutsch-französischen Versöhnung erweitert und dafür gesorgt, dass „kein blockfreier europäischer Staat Atomwaffen erwirbt und abtrünnig wird“. Die Nato sei außerdem als Absicherung (Hedge) gegen Russland verstanden worden, von dem nicht nur Kanzler Kohl erwartet habe, dass es früher oder später zu alter Form zurückkehren werde.

Oder zur Demokratie finden und mit der Nato kooperieren. Deshalb sei 2003 im US-Außenministerium 2003 ein Papier entstanden mit dem Titel: „Why NATO Should Invite Russia to Join.“ Damals habe man angenommen, dass „das magnetische Modell des Westens auch Russland anlocken würde“ – gefolgt von anderen. Mehr Nato sei mit mehr Frieden gleichgesetzt worden, mit mehr Integration und mehr Ordnung.

Nun sei die erweiterte Nato „unbeholfen und willkürlich über Osteuropa ausgebreitet“. Kaliningrad sei eine kleine Insel in einem Meer von Nato-Staaten. Die Nato sei „verstrickt in die schwierige Frage, wo Russlands Westgrenze endet und Europas Ostgrenze beginnt“, was in der Vergangenheit Ursache unzähliger Kriege gewesen sei.

Diese Gefahr habe die Politik der offenen Tür verstärkt. Und das Versprechen von 2008, dass die Ukraine und Georgien eines Tages Mitglieder werden, sei „bestenfalls ambitioniert und schlimmstenfalls unaufrichtig“ gewesen. Das Bestreben der ukrainischen Regierung, nun tatsächlich der Nato beizutreten, habe „das Bündnis in den explosivsten ethnonationalistischen Konflikt der Region verwickelt“. In diesem Konflikt könne die Nato nur verlieren.

Die Nato-Expansion helfe nur Putin, so Kimmage. Sie bestätige dessen Narrativ vom Verrat des Westens und stärke seine Legitimität im Land.

Deshalb müsse die Nato den Kurs wechseln und sich weigern, weitere Mitglieder aufnehmen. Sie sei bereits „überfordert in einer der gefährlichsten Gegenden der Welt, die Ukraine aufzunehmen wäre strategischer Wahnsinn“. Die USA brauchten stattdessen „eine neue Strategie im Umgang mit Russland in Osteuropa“.  PHK

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