Kasachstan ruft Russland zu Hilfe
Paul Stronski über Kasachstans Krise und was das bedeuten könnte, Carnegie Endowment for Int. Peace, 7.1.2022
Was an Neujahr mit Protesten gegen die Erhöhung von Treibstoffpreisen im westkasachischen Schangaösen begann, hat sich über das ganze Land ausgedehnt und bedroht die kasachische Führung, schreibt Paul Stronski. Um die gewalttätigen Proteste zu beruhigen, hat Präsident Kassym-Jomart Tokajew „einen unberechenbaren und nicht vertrauenswürdigen Partner“ eingeschaltet, fasst er die derzeitige Lage zusammen.
Tokajew habe, um die Lage zu beruhigen, ein paar Zugeständnisse gemacht: Die Regierung musste zurücktreten, die Treibstoffpreise wurden wieder gesenkt. Der vormalige Präsident Nursultan Nasarbajew, noch immer so etwas wie die graue Eminenz im Nationalen Sicherheitsrat, trat zurück.
Doch die Gewalt setzte sich fort. Es kam zu Dutzenden Toten unter Demonstranten und Sicherheitskräften. Schließlich habe Tokajew das von Russland geführte Militärbündnis ODKB „um Hilfe gegen die Gewalt“ gebeten. Russische peacekeeper seien am Donnerstag eingetroffen.
Neben den gestiegenen Gas- und Treibstoffpreisen sei die Bevölkerung auch über geringe Löhne und darüber unzufrieden, dass bei ihnen wenig vom Ölreichtum ankomme; dazu kämen schlechte Arbeitsbedingungen, Korruption, das unterfinanzierte und korrupte Gesundheitswesen, Inflation, ein schlechtes Sozialversicherungssystem und schlechte Zukunftsaussichten für junge Menschen. Auch ethnische Konflikte nähmen zu.
Außerdem habe Tokajew begonnen, gegen die Opposition „durchzugreifen“. Die Parlamentswahlen im Januar 2021 seien abgelaufen „ohne Chance für echte oppositionelle Stimmen, daran teilzunehmen“.
Ohne die Chance, ihre Anliegen vorzutragen, seien einige Kasachen auf die Straße gegangen, „gelegentlich mit brutaler Gewalt. Bürgeraktivisten bieten seit langem Antworten auf die Probleme des Lands, aber im Moment scheinen die wütenden Stimmen auf den Straßen das Mikrofon zu haben.“ Diese Menschen habe die Regierung nun „internationale Terroristen“ genannt.Tokajews Hilferuf an ODKB und Russland nennt Stronksi einen „riskanten Schritt“. Sorge um die künftige Unabhängigkeit Kasachstans würden laut, auch „nationalistische Gefühle“. Auch wenn sich die ausländischen Truppen nur um die Sicherheit wichtiger Anlagen kümmerten, werde Tokajew abhängiger von Moskau. Es könne auch sein, dass sie die Lage befeuern.„Die Ära Nasarbajew in Kasachstan ist vorbei“, urteilt Stronski. „Sowohl er als auch Tokajew hatten immer ein verschlossenes Ohr für die Forderung der Menschen nach echten Veränderungen.“ PHK