Arbeit des Petersburger Dialogs schonungslos überprüfen

Zum Beitrag von Johann Michael Möller: Die freie Welt steht zusammen, KARENINA, 28.2.2022

Johann Michael Möller schreibt in seinem Kommentar „Die freie Welt steht zusammen“ zurecht, dass der Petersburger Dialog (PD) das Gespräch zwischen den Zivilgesellschaften stärken sollte, wir dieses Ziel nicht aufgeben sollten, aber der zivilgesellschaftliche Neuanfang jetzt Mut bräuchte. Er hätte noch als letzten Satz hinzufügen sollen: Das muss und kann bereits jetzt mit einer schonungslosen Überprüfung der Arbeit und Wirkung des Petersburger Dialogs geschehen, aus der dann die notwendigen Konsequenzen gezogen werden müssen.

Zwar wurde auf deutscher Seite der PD 2015 nach längerem Drängen insbesondere des damaligen für die Zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit zuständigen Russlandkoordinators der Bundesregierung Dr. Andreas Schockenhoff und der beiden Grünen Marie-Luise Beck und Ralf Fücks reformiert. Das hatte vor allem zur längst fälligen Absetzung des alten Vorsitzenden und einer Reduzierung des Anteils der sog. „Russland-Versteher“ geführt, die bis dahin in Kreml-freundlicher und die kritische russische Zivilgesellschaft weitgehend ignorierender Weise agierten. Nicht gelungen war jedoch die Herauslösung der Geschäftsführung des PD aus dem von kritiklosen Putin-Lobbyisten geführten Deutsch-Russischen Forum.

Zur schonungslosen Analyse gehört, dass der Petersburger Dialog auf russischer Seite in Struktur, Nominierungsverfahren und Programm maßgeblich von Akteuren aus Staat, Politik und Wirtschaft dominiert wird. Der ein oder andere aufrechte Vertreter der russischen Zivilgesellschaft durfte als Feigenblatt dabei sein, sie hatten aber keine Relevanz.

Das führte insbesondere nach der Annexion der Krim 2014 dazu, dass der „offene Dialog“ darin bestand, dass die russischen Teilnehmer die deutsche Seite mit propagandistischen Lügen und Beschimpfungen überzogen, aber nicht einmal zum echten Zuhören bereit waren. Und als die russischen Teilnehmer dann bei den Treffen ab 2019 bis zur Corona-bedingten Unterbrechung dieses Verhalten zum größeren Teil ablegten, hat die Erfahrung gezeigt, dass die russische Seite zwar bereit war, kritische Meinungen anzuhören – und dann einfach zu ignorieren, wieder kein offener Dialog, wie ihn die deutsche Seite versteht.

Dies alles hat dem Ansehen des Petersburger Dialogs sehr geschadet, sodass der PD unter diesen Voraussetzungen nicht sein in seiner Satzung formuliertes Ziel erfüllen konnte, ein „offenes Diskussionsforum“ zu sein, das die „Verständigung zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder“ fördert. Und vor allem durch das Verhalten der russischen Vertreter im PD und durch das Kreml-gesteuerte Konstrukt ist der Petersburger Dialog in der russischen Zivilgesellschaft diskreditiert.

So schwierig in der nächsten Zeit eine zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland wird, weil sie die russischen Machthaber aus der panischen Angst, ihnen könnte auch nur in geringster Weise die Kontrolle entgleiten, verhindern werden, so sehr sollte man auf den Tag X vorbereitet sein, der schneller kommen kann als man heute hoffen kann.

Ob und inwieweit der Petersburger Dialog dafür mit dieser seiner Vergangenheit und seinem beschädigten Ruf überhaupt noch eine Zukunftsperspektive – und wenn ja, welche? – haben kann, diese Frage sollte deshalb bereits jetzt im PD und im Dialog des PD mit deutschen, für die russische Zivilgesellschaft engagierten Organisationen und nicht zuletzt vom Bundestag angegangen und beantwortet werden. Wenn der PD noch eine Zukunft haben soll, dann darf die deutsche Seite nach dieser erneuten völkerrechtswidrigen und noch massiveren Intervention Russlands in der Ukraine und der Drohung Putins mit Nuklearwaffen nicht ein Konstrukt akzeptieren, das auf russischer Seite vom Kreml direkt oder indirekt gesteuert wird.

Ja, Herrn Möller ist zuzustimmen, dass angesichts der aktuellen Lage in Russland „zivilgesellschaftlicher Neuanfang Mut braucht“, auch den Mut, sich selbst als PD komplett infrage zu stellen. Johann Michael Möller ist zu danken, dass er mit seinem Beitrag eine solche Diskussion angeregt hat!

Hans-Joachim Falenski, Berlin

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