Maximilian Philipp: Mehr Kampf als Spiel

Der Profifußballspieler Maximilian Philipp, 26, über sein Jahr bei Dynamo Moskau, sein Lieblingsrestaurant in der russischen Hauptstadt und eine Überraschung in der dortigen U-Bahn

Maximilian Philipp gegen Herthas imago images 0049051897m Zuaschnitt | Nachrichten über Russland
Unter Wölfen: Maximilian Philipp (rechts)

Was unterscheidet die russische Premjer-Liga von der Bundesliga?

Die Bundesliga hat eine höhere Qualität. Höheres Tempo. Auch mehr Körperlichkeit. Aber die russische Liga ist auch eine gute Liga.

Immerhin spielen drei russisch Mannschaften – Zenit St. Petersburg, Lokomotive Moskau und FK Krasnodar – in der Champions League. Was bedeutet das für Russland und die Russen?

Das macht sie sehr stolz. Das sind drei gute Teams, die es sich im vorigen Jahr verdient haben, da mitzuspielen. Aber sie merken nun auch, dass die Qualität der europäischen Spitze höher ist als in der Liga.

Trotz vieler internationaler Spieler, aus Brasilien, Frankreich und afrikanischen Ländern?

In der russischen Liga spielen einige Top-Spieler. Aber in den europäischen Spitzenmannschaften ist jede Position top besetzt. Das hast du in russischen Teams nicht. Die müssen mehr auf Teamgeist setzen, vielleicht auf eine taktische Variante. Deshalb waren sie in der Champions League noch nicht so erfolgreich.

Wie muss man sich das Leben eines deutschen Fußballspielers in Moskau vorstellen?

Training war meist um 11 Uhr, ich musste eine Stunde vorher dort sein. Ich habe direkt in Moskaus City gewohnt, die Fahrt dauerte je nach Verkehr fast eine Stunde. Nach dem Training gab’s Mittagessen. Nach einem Mittagsschlaf zuhause habe ich mir Moskau angeschaut. Abends traf ich mich mit Kollegen zum Essen. Dann kam Corona. Nicht einmal Kino war dann noch möglich.

Sie wollten zurück nach Deutschland. Heimweh?

Mit Corona war’s ziemlich hart. Aber wichtiger war: Ich habe mich mit dem Trainer nicht verstanden. Er hat eine komplett andere Auffassung von Fußball. Ich sah keine Möglichkeit mehr, mich weiterzuentwickeln.

Worin unterschied sich seine Auffassung von Fußball von Ihrer?

In Russland legt man viel Wert auf Laufen und Kampf. Deshalb spielten wir oft auch gegen kleine Mannschaften unentschieden; oder wir verloren gar. Er machte oft mich dafür mitverantwortlich und wechselte mich aus. Ich sagte ihm dann, es gehe auch darum, Fußball zu spielen. Im Sommer war mir klar: Wenn der Trainer bleibt, gehe ich.

Dann sind sie gegangen, bevor Ihr Verein einen neuen Trainer anheuerte, den Deutschen Sandro Schwarz. Was können Sie ihm mitgeben oder raten?

Raten brauche ich ihm nicht viel. Vielleicht das: Wir hatten immer große Probleme mit dem Spielaufbau. Wir hatten große Probleme beim Herausspielen von Chancen und erzielten wenige Tore aus dem Spiel heraus. Das wird er schon gesehen haben. Und er arbeitet schon daran. Das haben Roman und Kocka mir gesagt.

Roman Neustädter und Konstantin Rausch spielen noch bei Dynamo. Trafen sich die Deutschen in der Freizeit untereinander oder gab es auch Freundschaften mit russischen Kollegen?

Wir haben uns auch mit anderen Spielern getroffen. Mit Corona wurde das aber schwieriger. Wir durften nur auf dem Gelände bleiben. Aber natürlich haben wir auch mit ausländischen und den russischen Kollegen etwas unternommen. Die Herkunft spielt da nie eine Rolle.

Sind Freundschaften zu russischen Spielern entstanden?

Klar, mit einigen habe ich mich sehr gut verstanden. Mit zwei, drei Spielern konnte ich englisch sprechen. Ich bin dort sehr gut aufgenommen worden.

Im Web erregten sich kürzlich englische Fans, weil sieben Spieler von Krasnodar vor dem Match gegen Chelsea nicht niederknieten, um Black Lives Matter zu unterstützen. Einen Bericht in der Daily Mail kommentierte ein Moskauer im Web: Die Knienden müssten aus dem Team ausgeschlossen werden, sie seien keine Russen. „Russen knien nur in drei Fällen nieder: vor Gott, Frauen und dem Vaterland.“ Wie sehen Sie das?

Die Russen haben ihren Stolz. Sie haben ihre eigene Identität und ihre eigene Denkweise. Der Aufforderung zu folgen, sahen sie offenbar nicht ein.

Was heißt „eigene Denkweise“?

Sie sehen Dinge oft anders. Das gilt auch für den Fußball. Wenn du viel gelaufen bist und viele Sprints und Zweikämpfe in der Statistik ausgewiesen sind, dann war es für sie ein sehr gutes Spiel. Auch wenn du fußballerisch nichts gebracht hast. Wenn die Statistik stimmte, du aber verloren hast, war’s trotzdem ein gutes Spiel.

Sie waren allein in Moskau, nicht?

Ja, ich war allein dort. Meine Freundin muss arbeiten. Meine Familie nach Moskau mitzunehmen, wäre mir nicht eingefallen. Ich bin alt genug, um allein zurecht zu kommen.

Das war dann eine Fernbeziehung.

Das war schwer. Vor allem durch Corona konnten wir uns monatelang nicht sehen. Ich war ja die ganze Zeit auf dem Gelände. Irgendwann durften wir uns mal in der Türkei treffen.

Aber die Beziehung hat gehalten?

Ja, bis heute.

Hatten Sie Zeit, das Land zu erkunden? 

In der Länderspielpause sind wir ab und zu nach Sotschi geflogen, da ist immer gutes Wetter. Ich habe aber eher versucht, nach Hause zu kommen, wenn das möglich war. Das allerdings war immer umständlich, wegen des Visums, weil in der Botschaft kaum jemand Englisch spricht. Das war nervig, auch für meine Familie, wenn sie mich besuchen wollte.

Was hat Ihnen an Moskau gefallen? Was nicht?

Die U-Bahn ist faszinierend. Modern. Und unfassbar sauber. Da lag nicht einmal ein Taschentuch herum. Das hätte ich nicht erwartet. Auch die Straßen sind immer sauber.

Anders als Berlin...

Das stimmt. Leider fährt die U-Bahn nicht zum Trainingsgelände. Schade ist, dass in Russland kaum jemand Englisch spricht. Im Restaurant habe ich mich mit einer App beholfen, habe die Gerichte übersetzen lassen und es dem Kellner gezeigt. Aber das muss ich sagen: Moskau hat tolle Restaurants.

Wo waren Sie am liebsten?

Im „Selfie“. Da gab’s Salat mit Feta-Käse, Chorizosalami und Wassermelone. Ich hatte nie einen so wilden Salat gegessen, der so gut geschmeckt hat.

 

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