Russland nach den Dumawahlen

Trotz alldem: Wir müssen versuchen, die Festung Russland menschlich wieder durchlässig zu machen

Dumawahlen 2021
Pflicht erfüllt: Russin in St. Petersburg beim Wählen.
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Wer die Wahlen zur Staatsduma in Russland – neben allen Versuchen der Manipulation und der Ausschaltung einer echten Opposition – bewerten will, muss sich dazu das Wahlsystem anschauen. Denn in Russland gilt das Grabenwahlsystem: Die Hälfte der Sitze sind Direktmandate, die andere Hälfte wird nach dem Verhältniswahlrecht vergeben.

Doch beides völlig getrennt. Es gibt also keine Ausgleichsmandate und damit auch keine proportionale Teilhabe kleinerer Parteien gemäß ihren Zweitstimmen im Gesamtparlament.

Somit kann sich die größte Partei schon allein über die Direktmandate die Mehrheit sichern. Dieses Wahlrecht gilt auch in Staaten der Europäischen Union wie Kroatien, Litauen oder Italien.

Bei diesem Verfahren hätte sich Putins Partei „Einheitliches Russland“ – selbst bei Stimmenverlusten – auf einen ziemlich sicheren Sieg einstellen können, weil ihr die meisten Direktmandate schon sicher schienen. Doch Putins Devise hat gelautet: Wir wollen die konstitutionelle Mehrheit erreichen – also die Zwei-Drittel-Mehrheit.

Damit soll abgesichert werden, was Putin mit großer Systematik in seiner Politik verfolgt: eine Festung namens Russland, die ideologisch uneinnehmbar ist für Kritiker, Opponenten und vor allem für das westliche Ausland.

Putins roter Faden

Seit dem 75. Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkrieges im vergangenen Jahr zieht sich ein roter Faden durch alle Aufsätze, Reden, Strategien und Verfassungsänderungen, die von Putin initiiert wurden. Und dieser rote Faden lässt sich wie folgt beschreiben:

Der Westen verharrt in einem Feindbild gegenüber Russland, das westliche liberale Modell ist in der Krise. Es gefährdet den gesellschaftlichen Bestand Russlands und seine traditionellen Werte. Internationale Verträge verlieren ihre Gültigkeit, wenn sie dem jetzt neuen russischen Verfassungsverständnis widersprechen.

Eingebettet darin ist die Krim-Frage. Denn nach der letzten Verfassungsreform darf die bislang ukrainische Krim nie wieder aus dem Bestand der Russischen Föderation herausgelöst werden.

Vor diesem Hintergrund sind also restriktive Maßnahmen ergriffen worden, um oppositionelle Kritik an solchen Positionen von vornherein auszuschließen. Die dramatische Gleichung lautet: Oppositionelle Kritik ist unpatriotisch und damit eine Gefährdung der proklamierten gesellschaftlichen Identität Russlands.

Es ist kein Platz für das urdemokratische Verständnis, dass oppositionelle Kritik schlicht Kritik an einer Regierung ist, die nur auf Zeit ein Mandat zur Macht hat – und dieses in Wahlen auch wieder verlieren kann.

Trotzdem an die Menschen denken

Gerade die Verfassungsänderungen, die einen quasi lebenslangen Präsidenten Putin ermöglichen, zeigen deutlich, dass Russland einen völlig anderen Weg eingeschlagen hat, der lautet: autoritärer Machterhalt statt demokratischen Machterwerb. Und eben diesem Machterhalt haben die letzten Wahlen gedient.

Russland steht damit nicht allein. Es gibt viele Staaten auf der Welt, die so strukturiert ihre Macht verwalten lassen. Und es ist immer nur eine Minderheit, die sich dagegen engagiert und eine vielleicht träge Masse, der dies zwar nicht gefällt, die es aber hinnimmt.

Dennoch können wir auf einen zivilisierten Umgang mit Russland nicht verzichten. Wir sind Wirtschaftspartner, wir sind indirekte Nachbarn, wir teilen eine gemeinsame Geschichte und wir leben in einer dennoch offenen Welt, in der Millionen von Russen im Westen leben, aber engste Kontakte in ihre Heimat halten.

Die Antwort auf unseren Umgang mit Russland liegt nicht einfach in der Kritik an den unbefriedigenden Wahlen, sondern in dem Versuch, die Mauern, die die Festung Russland errichtet, menschlich wieder durchlässig zu machen.

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