Russischsprachige Poesie in Berlin

Diesmal online: Das Internationale Alexey-Parschtschikow-Literaturfestival „Dirigeable“

Seit 2019 ist das Internationale Alexey-Parschtschikow-Literaturfestival „Dirigeable“ ein Treffpunkt für Schriftstellerinnen und Poeten in Berlin, deren Arbeitssprache Russisch ist. Dmitri Dragilew, der die Vereinigung russischsprachiger Autorinnen und Autoren Deutschlands leitet und zu den Veranstaltern des Festivals gehört, glaubt: Auch in Zeiten von Instagram ist Poesie insgesamt, sowie russische Poesie in Berlin aktuell.

Das Festival findet vom 25. bis zum 27. Juni statt, diesmal online. Pandemiebedingt fallen in diesem Jahr persönliche Gespräche und Treffen aus.

Aber es sind bekannte Namen vertreten, Olga Grjasnowa ist dabei,  auch Ilja Kutik. In den 1980er-Jahren gehörte Kutik gemeinsam mit Parschtschikow in Moskau zu einem inoffiziellen Kreis der Dichter, die ihre poetische Richtung als Metarealismus bestimmten. „Dirigeable“ ist der Name des letzten Poems von Parschtschikow, das Werk hat er in Köln geschrieben und der Dichter selbst ist in Kreisen der modernen russischsprachigen Poesie sehr geschätzt. Deshalb haben die Veranstalter dieses Wort als Name für das Festival gewählt.

Dragilew vergleicht Parschtschikow mit einem anderen Poeten – Welimir Chlebnikow, der die russische Dichtung Anfang des 20. Jahrhunderts stark beeinflusst hat. Genau so, meint Dragilew, hat Parschtschikow die zeitgenössische Poesie in den 70er-Jahren verändert.

Russische Metarealisten übten einen neuen Umgang mit der Metapher aus, sie nannten es Metametapher und bestimmten als doppelte Umkehrung von Innen und Außen. Als Beispiel dazu kann die Zeile aus dem Gedicht von Konstantin Kedrow dienen:

„Der Mensch ist die falsche Seite des Himmels/Der Himmel ist die falsche Seite des Menschen“ („Computer der Liebe“, 1983).

Einen solchen Umgang mit Metaphern praktizierte auch Parschtschikow:

Uns scheint, er liegt im Wasser wie ein Schützengraben ausgehoben.
Und taucht er auf, so drückt er eine Welle aus der Flut.
Bewusstsein, Fleisch – als ob sich alles eng zusammenzöge.
Dem Hinterzimmer gleicht er, das direkt zum Mond hinführt.
(„Wels“)

Die Übersetzung dieser Strophen Parschtschikows aus dem Russischen stammen von Hendrik Jackson, der sowohl als Teilnehmer als auch als Moderator auf dem Festival dabei sein wird. Jackson und andere Teilnehmer und Moderatoren – Ilja Kutik, Elena Seifert, Sergey Solowjow – gehören ebenfalls zu den Metametaphoristen, wie sie sich selbst nennen. Dragilew meint, dass dieser Art der Metapher neue Dynamik und Intensivität in die Poesie bringt. Kritische Stimmen meinen, dass dadurch Redundanz entstehen könne.

Poesie ändert sich mit dem Leben

„Unser Leben heutzutage unterscheidet sich vom Leben damals, und die Gedichte von Fet oder Blok reflektieren unser Leben nicht mehr. Das ist ein anderes Leben, und die Poesie ändert sich mit dem Leben“, sagt Dragilew.

Sicher ist: Die Poesie ist nach wie vor populär und hat inzwischen ihren Platz in den sozialen Medien und auf Smartphones. Als Beispiele von solchen poetischen Erfolgen im 21. Jahrhundert nennt er die russische Dichterin Vera Polozkowa, die Influenzerin Sola Monowa mit 1,4 Millionen Followern auf Instagram und Akh Astakhowa mit 429 000 Followers auf Instagram.

Das heißt – Poesie kann auch jetzt für die neuen Generationen interessant sn, sei es qualitative Poesie oder nicht – es ist eine andere Frage. „Formell ist das etwas, was genau so wie Poesie aussieht“, meint Dragilew.

Das Parschtschikow-Literaturfestival war ursprünglich als Treffpunkt für russischsprachige Künstler gedacht, diesmal aber nehmen an der Veranstaltung auch Dichterinnen teil, die auf Deutsch schreiben, Autoren aus Polen und Estland. Für die Veranstalter ist wichtig: Um Formen aktuell zu halten und zu entwickeln, muss ein ständiger Austausch stattfinden.

Informationen zur Veranstaltung gibt es hier.

 

 

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