Gas: Kann Russland Europa wirklich helfen?
Der Analyst Marcel Salikhov meint: Kann es nur eingeschränkt. Warum, das beantwortet er auf der Webseite des Carnegie Moscow Center, 22.10.2021
Ob Russland Europas Gasprobleme lösen kann, fragt Marcel R. Salikhov, Russlandanalyst bei Global Source Partners (New York) und Direktor des Institute of Energy and Finance (Moskau). Die korrekte Frage scheint aber zu sein: Kann Gazprom es, und zwar allein?
Was Salikhov schreibt, ist in der deutschen Medienberichterstattung so detailliert selten zu lesen:
1. Der weltweite Markt ist unter Druck. Die Gründe sind bekannt.
2. Die unterirdischen Gaslager in der EU seien mit 87 Milliarden Kubikmeter zu 78 Prozent gefüllt, ansonsten sind es zu dieser Jahreszeit 90 Prozent. Es fehlen im Vergleich rund 13 Milliarden Kubikmeter. Das sind zwei bis drei Prozent des jährlichen Verbrauchs in der EU.
3. Neben Russland sind Norwegen und Algerien Hauptlieferanten Europas. Ihre verfügbaren Mengen können die Lage kaum verbessern.
4. Es sei zweifelhaft, ob der staatlich kontrollierte Riese Gazprom schnell entscheidend mehr liefern kann. Laut CEO Alexei Miller sei die Produktion in diesem Jahr bereits erheblich ausgeweitet worden. „Es wäre nicht leicht, die Produktion bald weiter zu erhöhen“, glaubt Salikhov, „wenn sie bereits am Maximum liege, um die saisonale Nachfrage zu befriedigen.“
5. Außerdem seien Gazproms eigenen Lager in Europa leer, auch diese müssten gefüllt werden. Das Unternehmen habe auch im eigenen Land mehr geliefert als zuvor, in diesem Jahr 20 Prozent mehr als im vorigen.
6. Aller Wahrscheinlichkeit, so Salikhov, könne Gazprom seine Lieferungen nach Europa bis zu einem gewissen Grad erhöhen, aber die Ressourcen seien limitiert.
7. Gazprom sei nicht Russlands einziger Gasproduzent. Unabhängige Gesellschaften wie Novatek und Rosneft besorgten ein Drittel der russischen Gasproduktion. Sie könnten, so Salikhov, Europas Märkte jedoch nicht schnell bedienen, weil Gazprom das Monopol auf die Export-Pipelines innehabe. Ohnehin wären von diesen Gesellschaften kurzfristig keine großen Exportsprünge zu erwarten, selbst wenn Gazprom dieses Monopol verlöre.
8. Salikhov schließt mit den Worten: „Europa hat nicht viele Optionen, seinen Gasnachschub in nächster Zukunft zu erhöhen.“ Einzige Quelle dafür sei offensichtlich Russland. Aber Gazproms Ausstoß sei nahezu ausgeschöpft. „Weil auch unabhängige Produzenten ihre Produktion nicht so schnell erhöhen können, wird der Gaspreis in Europa diesen Winter hoch bleiben.“ PHK