„Der Liebeskummer der Russen“

Fünf Fragen an Thomas Falk

Koordinator der Arbeitsgruppe Wirtschaft des Petersburger Dialogs

Wo stehen wir im deutsch-russischen Verhältnis?

Leider stehen wir derzeit am Tiefpunkt mit der ganz großen Frage nach einer Perspektive. Die allgemein und hinlänglich genutzte Floskel „wir müssen im Dialog bleiben“ wird nicht mehr ausreichen.

 

Nach 30 Jahren Vernunftehe scheint die deutsch-russische Liaison zerrüttet. Lohnt sich eine Mediation?

Bei den vielen Aufs und Abs und den vielen Emotionen bis hin zum zeitweiligen Liebeskummer der Russen, sehe ich für die Beziehung beider Länder nicht das Statusmerkmal „Vernunftehe“. In einer Vernunftehe würden viele Dinge viel reibungsloser und unaufgeregter stattfinden. Unterstellt man dennoch, dass es sich um eine Vernunftehe handelt, in der es derzeit kriselt, stellt sich die Frage, ob denn diese Ehe durch einen Mediator gerettet werden könnte. Zunächst ist zu klären, wer denn dieser Mediator sein könnte. Aufgrund der fehlenden Interessen Dritter an einem guten Verhältnis zwischen Deutschland und Russland ist ein Mediator auszuschließen. Deutschland und Russland, natürlich auch im europäischen Kontext, müssen selbst für ein geordnetes Miteinander sorgen.

 

Was trennt, was eint Russen und Deutsche heute?

Es gäbe zahlreichende trennende und verbindende Positionen, die allerdings hinlänglich bekannt sind.

Uns eint und trennt zugleich die für beide Länder notwendige grundsätzliche Positionierung im Kontext der Auseinandersetzung um die Vormachtstellung in der Welt, also die Auseinandersetzung zwischen USA und China. Darüber herrscht in beiden Ländern in der gesellschaftlichen Debatte bis jetzt kein Konsens. Es stellt sich also die Frage, welche sowohl in Deutschland als auch in Russland diskutiert werden muss, ob in absehbarer Zeit die chinesische Grenze weiterhin am Amur zu verorten ist oder – aufgrund einer eindeutigen und alternativlosen Hinwendung Russlands zu China – die Grenze zu China damit für uns in Kaliningrad sein wird. Das in der Zukunft Verbindende und Trennende wird also von Russland selbst und ganz besonders auch von uns dergestalt abhängen, ob Russland den europäischen Weg beschreitet oder den asiatischen.

 

Was wird das wichtigste Thema Ihrer Arbeitsgruppe im kommenden Jahr?

Wir hatten sowohl für dieses als auch schon für das kommende Jahr viele aktuelle sowie grundsätzliche Themen aus dem Bereich Wirtschaft aber auch übergreifende Themen in Kooperation mit anderen Arbeitsgruppen gesetzt. Corona war dieses Jahr allerdings das dominierende und omnipräsente Thema. Wir gehen leider davon aus, dass das auch im kommenden Jahr der Fall sein wird, sodass wir uns wohl wieder mit den Auswirkungen der Pandemie in vielerlei Hinsicht beschäftigen werden müssen. Ich stehe im ständigen Austausch mit meinem Kollegen Herrn Klepatsch und wir stimmen die Vorgehensweise und Inhalte intensiv zusammen ab.

 

Wagen Sie eine Prognose: Wie sieht das deutsch-russische Mit- oder Gegeneinander in zehn Jahren aus?

Prognosen beinhalten häufig Wünsche und Vorstellungen desjenigen, der die Prognose abgeben soll. Mein Wunsch wäre, dass beide Länder nicht nur in kultureller und wissenschaftlicher als auch wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht zu einem dauerhaften und stabilen Miteinander finden.  Und dies hängt wiederum zum größten Teil davon ab, wie sich die Positionierung zu der schon beschriebenen Weltordnung aus der vorhergehenden Frage ergeben wird.

 

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