Dialog auf Sparflamme
Auch mit Joe Biden werden die russisch-amerikanischen Beziehungen sich nicht verbessern
Ein Foto, unlängst in Russland veröffentlicht. Es stammt aus dem Jahr 1988 und zeigt den damaligen US-Senator Joe Biden mit dem damaligen sowjetischen Staatsoberhaupt Andrej Gromyko, der in seiner Zeit als Außenminister als „Mister Njet“ gefürchtet war. Der designierte US-Präsident Biden, signalisiert das Foto, ist ein alter Mann und steckt fest in Zeiten des Kalten Krieges.
In diesen Wochen gern zitiert auch ein kurzer Wortwechsel zwischen Wladimir Putin und dem damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden, sie trafen sich 2011. Er habe, so Biden, in Putins Augen geschaut und „keine Seele“ gefunden. Putins Antwort: „Wir verstehen einander.“ Die Verachtung war gegenseitig.
Ein Foto und ein Zitat aus der Vergangenheit, sie lassen einen Blick in die nähere Zukunft der russisch-amerikanischen Beziehungen wagen: Es wird jedenfalls nicht besser.
Im Moment zumindest ist ein „reset“ nur schwer vorstellbar, ein Neustart wie noch vor zehn Jahren unter Obama und Medwedjew.
In Moskau hatte man zunächst auf politische Deals mit Trump gehofft. Die anfängliche Begeisterung wandelte sich erst in Verwunderung, dann Enttäuschung. Im Grunde ist die Sicht die alte geblieben: Trotz – oder gerade wegen der eigenen Schwächen – strebten die USA noch immer nach globaler Hegemonie und Regime-Change auch in den post-sowjetischen Staaten. Damit stellten die USA eine Bedrohung der russischen Sicherheit dar. Ein Verhältnis bestenfalls auf Sparflamme.
Für die designierte Regierung Biden – endlich ziehen wieder politisch Erwachsene ins Weiße Haus ein – stellt sich Russland als stagnierende, autoritäre Kleptokratie mit Atomwaffen dar, ein „spoiler“ in der Weltpolitik und ein Präsident, der das Trauma des Zusammenfalls der Sowjetunion und vermeintlicher Einkreisung durch den Westen als identitätsstiftendes und machtsicherndes Narrativ nutzt. Weniger Partner als ein Problem, das man „managen“ muss.
Dazu gehören Sanktionen – aber auch die Suche nach partiellen Gemeinsamkeiten, etwa bei der anstehenden Verlängerung des NewSTART-Abkommens zur nuklearen Rüstungskontrolle. Ein Dialog auf Sparflamme. Denn anders als während des Kalten Kriegs sind die USA nicht mehr auf Moskau fixiert. Der strategische Wettbewerber heißt China.
Auch aus diesem Grund könnten die transatlantischen Beziehungen einen neuen Schub bekommen. Die EU ist nicht zum Untergang geweiht, und die Nato ist auch nicht „hirntot“. Gerade legte die EU-Kommission ein Strategiepapier vor, das eine neue Allianz der liberalen Demokratien gegen „autoritäre Mächte“ begründen soll – und damit ist vor allem der strategische Rivale China gemeint.
Lange konnte sich Wladimir Putin auf einen treuen Fürsprecher verlassen, ein Land mit Verständnis für russische Geschichte und auch für berechtigte post-sowjetische Traumata; ein Land, das sich als Partner für ein in Europa verankertes Russland anbot, die – aus guten Gründen hochumstrittene – „Nord Stream 2“-Pipeline inklusive: Deutschland. Auch diese Zeiten sind vorbei.
In Berlin ist man auf maximal mögliche Distanz zu Moskau gegangen. Dialog auf Sparflamme eben. Angela Merkel wusste um die Symbolkraft ihres privaten Besuchs bei Alexej Nawalny in der Berliner Charité, sie empfing die belarussische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja im Kanzleramt.
Auch in Berlin sieht man den russischen Präsidenten und seine Politik als Problem, das man realpolitisch nüchtern „managen“ muss. Und in einer mehr oder weniger angespannten friedlichen Koexistenz aushalten kann.
Allerdings ist das Leben immer wieder für Überraschungen gut. Denn ausgerechnet jener “Mister Njet“, Andrej Gromyko, schlug im Jahr 1985 einen jungen Mann zum neuen Generalsekretär vor. Der damalige Benjamin im greisen Politbüro – er hieß Michail Gorbatschow.