300 Jahre Heiligster Regierender Synod

Mit einer neuen Kirchenverfassung schaffte Peter der Große die Patriarchen ab und unterstellte die orthodoxe Kirche dem Staat

von Alexander Frese
Sitz des Heiligsten Synods in St. Petersburg

Vor 300 Jahren begann für die Orthodoxe Kirche in Russland eine neue Ära. Am 14. Februar 1721 (25. Februar nach gregorianischem Kalender) eröffnete der „Heiligste Regierende Synod“ seine Tätigkeit. Die Kirche selbst allerdings hatte dies weder gewünscht noch betrieben. Die treibende Kraft und im weiteren Sinne der spiritus rector des Synods war der weltliche Herrscher Russlands, Zar (nur wenig später Kaiser) Peter der Große.

Die Geburt des Synods war – und das erschien vielen Zeitgenossen als viel dramatischer – auch der Tod des Patriarchen. Seit 1589 wurde die russische Orthodoxen Kirche von einem mächtigen Patriarchen geführt (ein Amt, dessen Neubesetzung Peter allerdings schon seit 1700 verhindert hatte) – nun sollte eine staatliche Behörde von zehn durch den Zaren bestimmten Klerikern der Kirche vorstehen.

Warum dieser harte Bruch?

Peter I. wollte Russland mit zahlreichen Reformen „europäisieren“ und „modernisieren“, um es zu einem auch international starken und militärisch schlagkräftigen Staat zu entwickeln, der die europäischen Mächte nicht zu fürchten habe. Parallel zu einem zwei Jahrzehnte dauernden Krieg gegen die nordeuropäische Großmacht Schweden – der ebenfalls 1721 endete, und als dessen Folge Russland Zugang zur Ostsee gewann – trieb er die „europäische Modernisierung“ Russlands mit großer Härte voran.

Dabei brachte er auch die Geistlichkeit gegen sich auf, welche die zahlreichen ausländischen, und insbesondere auch protestantischen Einflüsse und Änderungen, die Peter ins Land holte, argwöhnisch verfolgte. War es nicht die höchste Pflicht des Zaren, sich als „Verteidiger der Orthodoxie“ zu betätigen?

Der Synod als neues höchstes Gremium der Orthodoxen Kirche degradierte diese in administrativer und rechtlicher Hinsicht zu einem staatlichen Organ, zu einer Art Kirchenministerium. Die Kirche wurde damit der staatlichen Macht gänzlich unterstellt.

Grundlage der Reform war das wenige Wochen zuvor verabschiedete „Geistliche Reglement“, das Peter in Anlehnung an protestantische Kirchenordnungen hatte verfassen lassen, und das die Beziehungen zwischen Staat und Kirche neu regelte. Die neue „Synodalverfassung“ der Kirche passte sich nahtlos in die wenige Jahre zuvor geschaffenen „Kollegien“ ein, die – ebenfalls als Teil der petrinischen Reformen – seit Ende 1717 die alten Prikasy (Zentralämter) als ministerienartige Behörden ersetzten.

Tatsächlich sollte die höchste Kircheninstitution anfangs auch schlicht und einfach „Geistliches Kollegium“ heißen. Die letztlich gewählte Bezeichnung „Heiligster Regierender Synod“ verdankte sich einerseits einer rhetorischen Rücksichtnahme auf das Kirchenvolk – aber auch einer Angleichung an die Bezeichnung des höchsten Regierungsorgans, dem alle Kollegien unterstellt waren: dem „Regierenden Senat“.

Toleranz gegenüber Andersgläubigen

Über den von 1722 an von einem „Prokurator“ geleiteten Synod konnten Peter I. und seine Nachfolgerinnen und Nachfolger großen Einfluss auf die Entwicklung innerkirchlicher Fragen nehmen und auch hier Reformen vorantreiben. Die Bildungsarbeit wurde so zu einer der wichtigsten Aufgaben der orthodoxen Kirche bestimmt.

Aber auch die Toleranz anderen christlichen Konfessionen wurde gefördert. Konfessionell gemischte Ehen wurden schon 1722 anerkannt, und nach Russland angeworbene ausländische Offiziere genossen Religionsfreiheit.

Größere Toleranz gegenüber dem Protestantismus war auch im Hinblick auf die Bevölkerung in den neuen Ostseeprovinzen geboten. Anderseits führte der staatliche Zugriff auf die Ressourcen der Klöster zu deren weitgehender Verarmung.

Gegen die neue Kirchenverfassung regte sich von Anfang an Kritik und Widerstand. Immer wieder wurde eine vom Staat unabhängige Kirche und die Wiedereinsetzung des Patriarchen gefordert. Das wurde erst nach dem Zusammenbruch des Zarismus wahr. Ein 1917/1918 einberufenes Konzil beschloss endlich die Abschaffung des Synods und die Wiedereinführung des Patriarchats.

Rechtlich hatte das Ende des „Heiligsten Regierenden Synods“ die Form eines Sowjetdekrets, und das konnte kein gutes Omen sein. Unter dem radikal antireligiösen Staat der Bolschewiki erwartete die Orthodoxe Kirche alles andere als die erhoffte Unabhängigkeit, und im Rückblick erscheint die zwei Jahrhunderte der „Synodalzeit“ vielen sogar als eine goldene Phase in der Geschichte der Orthodoxen Kirche.

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