Das Gespenst des Krieges

Im Ukrainekonflikt gibt es nicht den einen Schuldigen, leichtsinnig sind auch andere

Ukraine Kommentar Michael Möller
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Die Panzer rollen mal wieder. Und weil dieser martialische Leadsatz vieler Kommentare offenbar noch nicht martialisch genug ist, rollen jetzt noch Haubitzen und Raketenwerfer gleich hinterher. Die Beobachter der Lage im Donbass ergehen sich in düsteren Vorahnungen. Das Gespenst des Krieges geht um. Man kann es auch herbeischreiben wollen.

Die Entwicklung im Osten der Ukraine ist viel zu verworren, um sie auf eine simple Formel bringen zu können. Die Russen sind wieder mal schuld. „Unübersichtlich“ wäre das bessere Wort für die Lage. Man bekommt es jetzt häufig zu hören.

Der Aufmarsch der russischen Streitkräfte ist gleichwohl beängstigend. Er geht weit über eine Drohgeste hinaus. Hunderttausende russischer Soldaten sollen zurzeit im Einsatz sein. So schätzt der Moskauer Militäranalyst Pawel Felgenhauer die aktuellen Truppenbewegungen ein.

Der Kreml hat um diese Operationen einen gewaltigen Propagandarummel entfacht. Ernsthafte Kriegsvorbereitungen würden wohl eher im Stillen geschehen. Auch das gehört zur ganzen Wahrheit dazu.

Diese Transparenz ist gewollt. Der Aufmarsch soll vor den Augen der westlichen Öffentlichkeit geschehen. Säbelrasseln nennt man das für gewöhnlich. Aber was will Putin wirklich erreichen?

Aufschluss könnten die Truppenverteilungen entlang der Grenze geben, vor allem das Feldlager nahe Woronesch. Vielleicht plant der Kreml tatsächlich einen Zangenangriff auf die Separatistengebiete im Donbass, wo Russland de facto jetzt schon das Sagen hat.

Es wäre der dringend benötigte „kleine Triumph“ für Wladimir Putin, so die gängige Lesart, der über den Ansehensverlust seines Regimes im Innern hinwegtäuschen soll. Das Muster ist gängig und lange bekannt.

Doch es könnte auch nur um die von Kiew unterbrochene Wasserversorgung der Krim gehen oder womöglich um einen russischen Landkorridor bis dorthin. Die Anrainerstaaten neigen zu solch schlichten Erklärungen. Den polnischen oder baltischen Medien leuchten handfeste Motive wohl ein.

Unschuldslamm Ukraine?

Die großen Konfliktlinien sieht man eher im Westen. Im Donbass, so heißt es, gehe es auch um die freie Welt. Plötzlich steht auch die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wieder in Rede und in Washington beschützt man jetzt die ukrainische Souveränität. Dreihundert Tonnen Waffen hat man den Streitkräften dort jüngst geliefert und das umfänglichste Versprechen an Unterstützung klingt nach.

Es könnte den ukrainischen Staatspräsidenten Selensky leichtsinnig machen. Zur Entschärfung der Krise trägt das nicht bei.

Auch andere Hasardeure fühlen sich angezogen. Der türkische Machthaber Erdoğan bietet sich an. Seine türkischen Drohnen überfliegen den Donbass. Den Konflikt zu beruhigen, sieht anders aus.

Überhaupt ist das Narrativ vom Unschuldslamm Ukraine ein freundliches Märchen. Wenn es stimmt, dass Selensky die Rückeroberung der Krim per Präsidentendekret zur offiziellen Leitlinie der ukrainischen Außenpolitik erklärt hat, dann geht das Signal über die legitime Völkerrechtsposition weit hinaus.

Dann fühlt sich jemand sehr sicher, der glaubt einen Blankoscheck aus dem Westen erhalten zu haben. Dann könnte aus einem überschaubaren Grenzkonflikt sehr schnell ein unkalkulierbarer Stellvertreterkrieg werden.

Die Integrität der Ukraine zu schützen, ist die eine Seite der Sache. Den Donbass zum Aufmarschgebiet der Großmächte werden zu lassen, die andere.

Es gibt gute Gründe, Moskau jetzt in die Schranken zu weisen. Doch für Kiew kann das keinen Freibrief bedeuten. Die Ukraine darf nicht zum Testfall werden für die globalen Konflikte von morgen.

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