Sputnik V: Des einen Leid
Russlands Medien berichten über AstraZeneca und hoffen auf schnellere EU-Zulassung von Sputnik V
Auch russische staatliche Medien berichten über die Aussetzung des Impfens mit dem Serum von AstraZeneca in vielen europäischen Ländern. Sie berichten außerdem über Erfolge des in ihrem Land entwickelten Impfstoffs Sputnik V. Und der unabhängige russische Fernsehkanal Doschd berichtet sogar über einen „Vakzin-Krieg“. Wie sieht der denn aus?
Am vergangenen Freitag berichtete die staatliche Presseagentur TASS unter Berufung auf eine anonyme „hochrangige Quelle in Kreml“, dass „der Westen“ ein „Szenario des Informationsangriffs auf Sputnik V“ vorbereite. An diesem angeblichen Informationsangriff sollen westliche Medien beteiligt sein, unter anderem Reuters und BBC.
Das erinnert an die sowjetischen Zeiten, als die Regierung die ausländische Radioberichterstattung in der UdSSR blockierte. Für Sender wie BBC oder Deutsche Welle benutzen die Bürger seither den ironischen Begriff „Stimmen der Feinde“.
Gleichzeitig berichten die Staatsmedien über die Erfolge von Sputnik V im Ausland: Mehr als 50 Länder haben den Impfstoff zugelassen. Laut dem Sprecher des Russian Direct Investment Fund (RDIF), der das Vakzin produziert, gebe es bereits Vereinbarungen über die Produktion von Sputnik V in Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland.
Partner für Sputnik in Deutschland
Antragsteller in der EU ist das deutsche Unternehmen R-Pharm Germany im bayerisch-schwäbischen Illertissen. TASS nennt als möglichen Kooperationspartner in Deutschland IDT Biologika in Dessau-Roßlau. Das Unternehmen widerspricht der Meldung über eine bereits vorhandene Vereinbarung. Der Sprecher des Unternehmens, Ulrich Gartner, bestätigt Gespräche mit RDIF, eine konkrete Vereinbarung sei bisher nicht beschlossen.
Man könnte die Falschmeldung aus Russland als Missverständnis oder eine fehlerhafte Übersetzung interpretieren, hätte es nicht vor einigen Wochen einen ähnlichen Vorfall gegeben. Im Februar berichtete RDIF über den Start des Rolling-Review-Verfahrens für seinen COVID-19-Impfstoff bei der Europäischen Arzneimittelagentur European Medicines Agency (EMA).
Nach mehreren journalistischen Anfragen teilte die EMA mit, dass die Entwickler des Impfstoffkandidaten auf Anfrage „wissenschaftliche Beratung bezüglich der geltenden regulatorischen und wissenschaftlichen Leitlinien“ erhalten hätten. Die EMA sei im Gespräch mit dem Hersteller und helfe ihm, die nächsten Schritte zu definieren.
Über den offiziellen Twitter-Account vom Sputnik V kam umgehend eine „Bestätigung“: Es wurde ein Foto des Belegs gepostet. Allerdings doch auf medical advise und nicht auf das Rolling-Review-Verfahren, das erst am 4. März begonnen hat.
Ist das russische Serum sicher?
Die Produzenten des russischen Impfstoffs wünschen sich offensichtlich, dass der Prozess der Zulassung in der EU beschleunigt wird. Das schafft Missverständnisse und verstärkt ohnehin vorhandene Zweifel: Ist das russische Präparat überhaupt wirksam und sicher?
Die bisher vorliegenden Belege sagen: Ja. Laut Expertise des Paul-Ehrlich-Instituts und der EMA deuten Studien darauf hin, dass der Impfstoff immunogen ist. Das heißt, er „löst die Bildung von gegen SARS-Coronavirus (CoV)-2 gerichteten Antikörpern und Immunzellen aus“.
Gibt es genug Sputnik V für Russen?
Während das Zulassungsverfahren in der EU sowie die Werbekampagne laufen, beschäftigen sich örtliche Medien und Blogger mit Defiziten von Sputnik V in Russland. So berichtete am 15. März Fontanka.ru, ein regionales online-Medium aus Sankt Petersburg, es sei zu Engpässen bei der Impfungsversorgung in der Stadt gekommen; die für die Impfung angemeldete Bürger berichteten über Absagen von Terminen. Ähnliches wurde aus den anderen Regionen gemeldet.
Laut Alexander Ginzburg, dem Direktor des russischen Gamaleya National Centre of Epidemiology and Microbiology in Moskau, wurden bereits mehr als zehn Millionen Dosen produziert. Laut russischem Gesundheitsministerium wurden bis jetzt etwa vier Millionen Menschen geimpft. Es scheint allerdings auch Skepsis und Misstrauen gegen das Präparat zu geben, auch Bürger, die eine Impfung ablehnen.
Wann und wo der russische Impfstoff zugelassen wird, ist noch nicht klar. Bis dahin berichten die Staatsmedien über Misserfolge des Serums von AstraZeneca – auch in der Hoffnung, dass dadurch die Chancen von Sputnik V in der EU wachsen.