Außenminister Lawrow adelt AfD

Deren Empfang in Moskau trifft nicht nur die Kanzlerin, sondern auch die Linke

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Es war eine bizarre Veranstaltung.  Der Außenminister einer atomaren Weltmacht trifft sich mit politisch relativ unbedeutenden Vertretern einer ausländischen Oppositionspartei. Das Pikante dabei: Diese Partei, nämlich die AfD, steht entgegengesetzt zu der offiziellen politischen Linie der deutschen Bundesregierung und auch zu der der Europäischen Union.

Normalerweise empfängt Sergej Lawrow nur seinesgleichen, nämlich die Außenminister anderer Länder. In der hektischen russischen Hauptstadt sieht das dann so aus: Gespräche im Gästehaus des Außenministeriums, anschließend eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem angereisten Amtskollegen. Dass der dienstälteste Außenminister der Welt, der sonst eher mürrisch daherkommt, nun mit großer Herzlichkeit und auffallendem Charme die Besucher aus Deutschland begrüßt, zeigt: Hier geht es um etwas Besonderes. Nicht etwa um eine neue Freundschaft, sondern um eine gezielte Ohrfeige. Ein Signal Richtung Berlin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nämlich den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny während seines Aufenthalts in der Berliner Charité am Krankenbett besucht. Dies wurde in Moskau als Brüskierung wahrgenommen. Nun also die Retourkutsche! „Spiegeldiplomatie“ nennt man so etwas.

Dem russischen Außenminister berichteten die AfD-Männer, wie sie daheim angeblich diskriminiert werden. Auch Lawrow glaubt zu wissen, die Bundesregierung hätte versucht, diese Reise zu verhindern. Was nicht stimmt, aber das spielt keine Rolle.

Gemeinsam verurteilte man die schlechten Beziehungen zwischen Russland und Deutschland, so, als lasse sich die Schuld daran gleichmäßig verteilen. Fifty, Fifty! Obwohl – so lautet doch eigentlich die russische Position – der Westen ist an allem schuld!

Gefordert wurde von den AfD-Politikern deshalb auch das Ende der europäischen Sanktionspolitik. Als gäbe es dafür keine Ursachen.

Dass das Russland des Wladimir Putin mit der Einverleibung der Krim 2014 Völkerrecht gebrochen hat, dass bis heute russisches Militär die Separatisten in der Ostukraine unterstützt, davon natürlich keine Rede. Oder von den Cyberangriffen auf den Bundestag. Oder von dem bestellten Mord im Kleinen Tiergarten in Berlin. Allein Freundschaft, „Druschba“, zählt!

Sanktionen aber sind Teil der deutschen und der europäischen Außenpolitik gegenüber Russland, mit dem Ziel, Moskau zum Einlenken zu bewegen. Dann und nur dann ist Brüssel auch bereit, Sanktionen wieder aufzuheben – dies ist die Linie der EU.

Im Übrigen ist der Kreml bei Bedarf selbst bestens geübt im Verhängen von Sanktionen: gegen Georgien, gegen die Ukraine und auch einmal gegen die Türkei, als 2015 ein russisches Kampfflugzeug an der Grenze zu Syrien von Erdogans Luftabwehr abgeschossen wurde. Einfach die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ohne Gegenleistung zu verlangen, ist mehr als nur naiv, es ist ein Zeichen von Schwäche.

Dass der Kreml seit Jahren rechte Kräfte in Europa unterstützt, steht außer Frage, besonders wenn sie ein Ziel verfolgen: die EU zu spalten. Marine Le Pen erhielt 2014 für ihren Front National einen Millionenkredit, geholfen hat ihr dies allerdings wenig. Politisch ist die rechtspopulistische Französin zurzeit eher abgedränt.

Und apropos AfD: Sergej Lawrow hat sich selbst einen Bärendienst erwiesen, indem er mit Vertretern einer Partei zusammenkam, deren Vorsitzender einst erklärte, Hitler und die Nazis seien nur ein „Vogelschiss in unserer über 1000jährigen Geschichte“.

In der russischen Presse hat man das Treffen mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, feiert man in diesem Jahr doch den Sieg über Hitlerdeutschland vor 75 Jahren. Und was den Fall Nawalny betrifft, so ist man in Berlin erstaunt über die Aussagen Lawrows, es könne durchaus sein, dass der Oppositionspolitiker entweder im Flugzeug auf dem Weg nach Deutschland oder in der Charité vergiftet worden sei. Gekonnte Diplomatie sieht anders aus!

Die Ehre, die den AfD-Abgeordneten zuteil wurde, stürzt aber vor allen Dingen die Partei Die Linke in ein Dilemma. Ihre Russland-Politik ist immer noch so, als säßen im Kreml wie zu Sowjetzeiten alte Genossen. Wie die AfD tritt auch Die Linke nämlich für eine „Schwamm-drüber-Politik“ ein. Regelmäßig reisen Abgeordnete aus ihrer Partei nach Moskau.

Nun muss Die Linke erkennen, dass auch der AfD der rote Teppich ausgerollt wird. Eine peinliche Übereinstimmung!

Im Kreml lacht man sich über so viel Anbiederung ins Fäustchen. Respekt gilt eher den Europäern, die mit offenen Augen kritisch die Innen- und Außenpolitik der jetzigen russischen Regierung beobachten – und dabei fest zu ihren Überzeugungen und Werten stehen. Unabhängig von der jeweiligen politischen Großwetterlage.

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