Sputnik V: Safety first
Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität: Vor EU-Zulassung wird der russische Impfstoff streng geprüft
Der russische Impfstoff trägt einen beziehungsreichen Namen. Er ist benannt nach dem ersten künstlichen Erdsatelliten, der 1957 im Rahmen eines „Wettlaufs“ von der Sowjetunion ins Weltall geschossen wurde. Weil Sputnik V der erste angewendete Impfstoff war, hegen einige Menschen die Befürchtung, dass dieser nicht ausreichend getestet ist, wenn der Impfstoff die europäische Zulassung erhält.
Nach Angaben des Herstellers von Sputnik V sei der Impfstoff ähnlich sicher wie andere Impfstoffe. Allerdings gehen die Menschen in Europa mehrheitlich davon aus, dass Medikamente in den USA und Europa strenger reguliert werden als in Russland. Es stellt sich daher die Frage, ob der russische Impfstoff ausreichend getestet sein wird, wenn dieser in der EU zugelassen wird.
Sicherheit: Gleicher Maßstab im Zulassungsverfahren
Sobald ein Zulassungsantrag eines Impfstoffherstellers erfolgt, wird dasselbe Zulassungsverfahren in Gang gesetzt, wie bei allen anderen Antragstellern. Demzufolge gelten für die Zulassung des Sputnik-V-Impfstoffs keine anderen Maßstäbe oder Voraussetzungen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) nimmt hierbei eine unabhängige wissenschaftliche Sicherheits-, Wirksamkeits- und Qualitätsbewertung vor. Im Rahmen dieser Bewertung unterzieht die EMA alle vom Impfstoffentwickler vorgelegten Nachweise einer unabhängigen, gründlichen und soliden Prüfung.
Die maßgeblichen Daten des Sputnik-V-Impfstoffs wurden bislang noch nicht adäquat publiziert und liegen daher noch nicht vor. Eine Beurteilung, ob der Impfstoff sicher ist, kann demzufolge noch nicht abgegeben werden. Entscheidend ist allerdings, wie die EMA – basierend auf den eingereichten Unterlagen – die Sicherheit des Impfstoffs einstuft.
Wirksamkeit
Die Zulassung eines Impfstoffs auf europäischer Ebene hängt von der Sicherheits-, Wirksamkeits- und Qualitätsbewertung ab.
Das Ärzteblatt meldete am 25.11.2020, dass nach der aktuellen Pressemitteilung des staatlichen Direktinvestmentfond (RDIF) in der laufenden Phase-III-Studie bei acht von 14 095 Personen (0,06 %) in den ersten 28 Tagen nach der ersten und sieben Tage nach der zweiten Dosis von Sputnik V eine bestätigte COVID-19-Erkrankung aufgetreten sei. In der Placebogruppe solle es zu 31 Erkrankungen bei 4699 Personen (0,66 %) gekommen sein. Dies ergebe eine Effektivität von 91,4 Prozent. Bis zum 42. Tag nach der ersten Dosis sei die Effektivität auf über 95 Prozent gestiegen. Nach Angaben des RDIF erfolge die nächste vorläufige Datenanalyse, sobald 78 bestätigte Erkrankungen aufgetreten sind. Insgesamt sollen an der Studie mehr als 40 000 Personen teilnehmen.
Entwicklung: Zu viel Staat?
Die Entwicklung des Impfstoffs fand in dem ausgewiesenen und anerkannten Gamaleja-Forschungsinstitut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau statt. An der Entwicklung beteiligt war das Verteidigungsministerium, die Finanzierung erfolgte durch den RDIF. Einige Stimmen sind zu hören, wonach bei der Entwicklung des Impfstoffs „ein bisschen viel Staat“ involviert gewesen sei.
Grundsätzlich bestehen viele Möglichkeiten, die Entwicklung eines Impfstoffs zu finanzieren. Auch die USA, Europa und Deutschland leisten finanzielle Förderungen. So hat die Bundesregierung dem Unternehmen CureVac ebenfalls finanzielle Unterstützung für die Entwicklung eines Impfstoffs zugesagt. Trotz Involvierung des Staats ist die Sicherheits-, Wirksamkeits- und Qualitätsbewertung durch die EMA maßgeblich und damit die konkrete Datenlage, die durch den Hersteller eingereicht wird.
Hat ein Vektorimpfstoff Vorteile?
Leif Erik Sander, Infektiologe an der Berliner Charité, sagte im Dezember 2020 gegenüber ZDFheute, dass der russische Impfstoff „vom Prinzip her“ vermutlich nicht schlecht sei, weil das zuständige Gamaleja-Forschungsinstitut in früheren Studien gezeigt habe, dass es „die entsprechende Expertise in diesem Bereich hat“. Jedoch lägen die Phase-III-Studiendaten noch nicht vor; sie sind noch nicht veröffentlicht.
Für die Beurteilung der Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität des Impfstoffs ist jedoch die Überprüfung sämtlicher Studiendaten erforderlich. Ob der Vektorimpfstoff im Hinblick auf diese Kriterien Vorteile bietet, kann mangels vorliegender Studiendaten noch nicht beurteilt werden.
Wichtig ist es, der EMA bei ihrer Beurteilung zu vertrauen. Es ist davon auszugehen, dass bei Zweifeln im Hinblick auf Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität sowie bei einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis eine Empfehlung durch die EMA und demzufolge eine Zulassung des Impfstoffs nicht erfolgen wird.
Zulassung in der EU
Impfstoffe, die gentechnologisch hergestellte Antigene enthalten, bedürfen einer zentralen Zulassung durch die EMA. Der russische Impfstoff Sputnik V basiert, wie der Impfstoff des Herstellers AstraZeneca, auf Adenoviren. Sie dienen als Vektoren, um die Gene für das Spike-Protein in die Muskelzellen zu befördern, wo dann der eigentliche Impfstoff produziert wird.
Das zentrale Zulassungsverfahren ermöglicht es Herstellern, mit einem einzigen Antrag die Zulassung für einen Impfstoff in allen Mitgliedstaaten des europäischen Wirtschaftsraums zu erhalten. Die Zulassung kann grundsätzlich erst beantragt werden, wenn alle drei Studienphasen durchlaufen sind. In der Regel dauert dieser Prozess mehrere Jahre. In Phase III wird der Impfstoff an einer großen Zahl (mehrere 100 bis mehrere 1000) von Patientinnen und Patienten erprobt.
Bei der Zulassung gilt: Safety first
Bei der Zulassung eines Impfstoffs steht die Sicherheit des Produkts im Vordergrund. Dabei ist eine positive Nutzen-Risiko-Abwägung, basierend auf der aktuellen Datenlage, maßgeblich.
Die Kritik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und seine Behauptung, dass die EU ihre Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie überaus langsam treffe, ist unzutreffend. Vielmehr hat die EU im Rahmen von bedingten Zulassungen durchaus schnelle Entscheidungen getroffen. Das Verfahren einer bedingten Zulassung ist im Vergleich zu der normalen zentralen Zulassung zeitlich verkürzt und kommt insbesondere in Krisensituationen, welche die öffentliche Gesundheit bedrohen (z. B. in einer Pandemie), in Betracht.
Die bedingte Marktzulassung erfolgt für ein Jahr und ist so konzipiert, dass sie so schnell wie möglich erteilt werden kann, sobald ausreichende Daten vorliegen. Dadurch werden die normalen Beurteilungszeiten verkürzt, allerdings bleiben die Grundsätze von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit gewahrt.
Die Europäische Kommission ist rechtlich verantwortlich für die Marktzulassung. Nach einer positiven Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA wird die Kommission die Zuverlässigkeit aller Elemente überprüfen, welche die Marktzulassung stützen. Wenn die Mitgliedstaaten die Zulassung mit qualifizierter Mehrheit befürworten, kann die Kommission mit der Annahme ihres Beschlusses zur Genehmigung der Vermarktung des Impfstoffs fortfahren.
Produktion in der EU
Die Produktionskapazitäten für die Impfstoffherstellung sind derzeit zu niedrig, weshalb es zu Lieferengpässen kommt. Zur Erschließung europäischer Produktionskapazitäten kam die Frage auf, ob es künftig eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland geben werde.
Eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland und insbesondere die Produktion in Deutschland ist grundsätzlich denkbar. Im Fall einer Produktion des russischen Impfstoffs in Deutschland werden die Produktionsanlagen überprüft, z. B. durch Begehungen, um die Sicherheit der Produktion zu gewährleisten.
Zusammenfassung
Die Beurteilung des russischen Impfstoffs Sputnik V erfolgt nach den drei wesentlichen Kriterien, nämlich Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens erfolgt damit gerade keine weniger strenge Prüfung des russischen Impfstoffs.