Bomben auf Moskau
Am 22. Juli 1941 griff die deutsche Luftwaffe erstmals Moskau an
Es ist die Nacht vom 21. auf den 22. Juli 1941: Von Militärflugfeldern bei Minsk, Orscha, Smolensk und Brjansk starten mehr als 200 Bombenflugzeuge und nehmen Kurs auf Moskau. Auf die Flieger, die Generäle und die NS-Führung wartet eine Überraschung.
Schon vor dem Angriff auf die Sowjetunion hatte die deutsche Luftwaffe zahlreiche Städte in Schutt und Asche gelegt: Es begann mit den verheerenden Luftangriffen auf die baskische Kleinstadt Guernica im April 1937, gefolgt von den Flächenbombardements von Warschau am 25./26. September 1939 und Rotterdam im Mai 1940, nicht zu vergessen die zerstörerischen und fast täglichen Luftangriffe auf britische Städte wie London und Coventry 1940/1941. Nun mussten auch die Bewohner sowjetischer Städte das Schlimmste befürchten.
Die sowjetische Hauptstadt war schon kurz nach Beginn des deutschen Überfalls am 22. Juni fast täglich von hochfliegenden Aufklärern überflogen, die Ziele ausfindig machen sollten. Nun griffen die Deutschen an.
In Moskau wartet erhebliche Luftabwehr
Doch während manche der genannten Städte den nazideutschen Luftangriffen schutzlos ausgeliefert waren, trifft die große deutsche Bomberflotte in der Nacht auf den 22. Juli 1941 auf eine Stadt, die in den vorangegangenen Monaten und Wochen eine erhebliche Luftabwehr aufgebaut hatte. Hunderte von Abfangjägern, mehr als tausend Flakgeschütze in gestaffelten Abwehrringen, unzählige Scheinwerfer, Beobachtungsballons und sogar einige damals ganz moderne Radargeräte sorgen dafür, dass die herannahenden Flugzeuge schon während ihres Anflugs auf Moskau entdeckt werden und unter äußerst heftiges Feuer geraten.
Insgesamt dauerte der Angriff fast fünf Stunden. Etwa jedes zehnte Bombenflugzeug wird abgeschossen – eine Verlustrate, die deutlich höher liegt als bei den meisten deutschen Luftangriffen auf britische Städte. Und nur die Hälfte aller Bomben fällt tatsächlich auf das völlig verdunkelten Moskau.
Auf das Zentrum der Stadt, in dem die eigentlichen Ziele des Angriffs liegen – der Kreml, das Gebäude des Zentralkomitees, Bahnhöfe und ein Elektrizitätswerk – fallen trotz der früheren Aufklärungsflüge nur vereinzelte Bomben. Die deutschen Generäle sind ebenso überrascht wie die NS-Führung. In der rassenideologisch gefärbten Annahme, die Sowjetunion sei ein „Koloss auf tönernen Füßen“, hatte man mit einer derartig heftigen Luftabwehr nicht gerechnet.
Die Zerstörungen in der großen Stadt halten sich in Grenzen. Das gewaltige „Flammenmeer“ in der sowjetischen Metropole, von dem deutsche Medien in den folgenden Tagen berichten werden, ist vor allem den Federn nationalsozialistischer Propagandisten entsprungen.
Opfer auch unter den Angreifern
Der ersten Bombennacht vom 22. Juli sollten in den kommenden Nächten und im August noch mehrere deutsche Großangriffe auf Moskau folgen. Sie stellen sich jedoch als so verlustreich heraus, dass sich die deutschen Angreifer zunehmend auf kleine Angriffsgruppen verlegen.
Im ersten Monat fielen den Angriffen mehr als 700 Moskauer zum Opfer, weit über 3000 wurden verletzt. Mitte November wurden bereits über 1300 Tote gezählt.
Bis zum Sommer 1942 wurde die sowjetische Hauptstadt von den nun sehr nahe vor Moskau stehenden Deutschen immer wieder aus der Luft angegriffen. Danach wurden Luftalarme seltener und im Juni 1943 fand der letzte Bombenangriff auf Moskau statt.
Für die Hauptstadt war die unmittelbare Kriegserfahrung damit nach zwei Jahren endlich vorbei. Bis zum Ende des Kriegs mussten noch zwei weitere bittere Jahre vergehen.