4. Kongress der Volksdeputierten

Auf Initiative Gorbatschows wurde im Parlament der UdSSR endlich wieder debattiert und kritisiert

Der Kongress der Volksdeputierten, ein kurzlebiges Kind der Perestroika

Der 4. Kongress der Volksdeputierten der UdSSR begann am 17. Dezember 1990 und tagte bis zum 27. Dezember. Der Kongress der Volksdeputierten war ein erst 1988 auf Initiative Gorbatschows geschaffenes Organ im sowjetischen Staat, das als höchstes gesetzgebendes Gremium fungieren sollte. Seine Mitglieder wurden Ende März 1989 nach einem für sowjetische Verhältnisse außergewöhnlich demokratischen System gewählt, bei dem die sowjetischen Bürger tatsächlich zwischen verschiedenen Kandidaten wählen konnten.

Seine konstituierende Sitzung Ende Mai/Anfang Juni 1989 wurde im Fernsehen live übertragen und erregte enormes öffentliches Interesse. Anstelle der traditionellen Demonstration von Einstimmigkeit führten die Abgeordneten kontroverse Debatten und scheuten auch vor offener Kritik an den Verhältnissen im Land nicht zurück.

Kaum 18 Monate später, als der Kongress der Volksdeputierten zum vierten Mal tagte, war der demokratische Aufbruchsgeist jedoch verflogen, Krisenstimmung machte sich allenthalben breit. Die Frage, ob und wie die UdSSR als Unionsstaat fortbestehen könne und solle, war ein zentrales Thema des Kongresses, der von den Deputierten aus den georgischen, armenischen, litauischen, lettischen und estnischen Sowjetrepubliken bereits boykottiert wurde.

Überschattet wurde der Kongress vom Rücktritt des Außenministers Schewardnadse am 20. Dezember, der seinen Schritt als Warnung vor einer neu aufziehenden Diktatur verstanden wissen wollte. In der Tat gingen konservative und reaktionäre Kräfte gestärkt aus dem Kongress hervor. So wurde Gennadi Janajew, im August 1991 Anführer des Putschversuchs gegen Gorbatschow, zum Vizepräsidenten der Sowjetunion gewählt; und Gorbatschow selbst erhielt neue präsidentielle Vollmachten, die die Bedeutung des parlamentarischen Volksdeputiertenkongresses schmälerten.

Nach dieser vierten Sitzung kam der Kongress der Volksdeputierten nur noch einmal zusammen. Der 5. Kongress der Volksdeputierten tagte Anfang September 1991 aber schon in einem ganz anderen Land. Kurz nach dem gescheiterten Putsch standen weitreichende Änderungen auf der Tagesordnung. Die Deputierten erklärten den Beginn einer "Übergangsperiode" zur Schaffung neuer staatlicher Strukturen, in denen der Kongress der Volksdeputierten selbst keine Rolle mehr spielen solle. Weitere vier Monate später war dann auch der Staat, der ihn geschaffen hatte, Geschichte. AF

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