Nato

Was soll die Nato leisten?

Nato 2030: Russland und China eindämmen, globale Arbeitsteilung vorantreiben

Die russische Flotte im Blick: Das U-Boot U33 unter Führung von Kapitänleutnant Tobias Eikermann kehrt im Mai 2020 nach mehrere Aufklärungsfahrten an der Außengrenze der NATO zum Marinestützpunkt und Heimathafen Eckernförde zurück.

Im Interview mit dem britischen Magazin The Economist im Herbst 2019 zeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron ein düsteres Bild der Nato und bescheinigte ihr gar den „Hirntod“. Macrons Worte lösten eine heftige Diskussion innerhalb der Allianz aus.

Bundeskanzlerin Merkel hielt „einen solchen Rundumschlag“ nicht für nötig, auch wenn es Probleme gebe. Den Regierenden Polens und der baltischen Staaten missfiel insbesondere die Bereitschaft Macrons zu einem Dialog mit Russland. Damit stand die Nato auf ihrem Londoner Gipfel Anfang Dezember 2019, der eigentlich der Feier ihres 70-jährigen Jubiläums dienen sollte, vor einem schwierigen Problem.

Generalsekretär Stoltenbergs Lösung: eine Reflection Group, geleitet von Thomas de Maizière, ehemaliger deutscher Innen- bzw. Verteidigungsminister, und Wess Mitchell, damals ein stellvertretender Außenminister der Trump-Administration. Ihr Ende letzten Jahres vorgelegter Bericht „Nato 2030: United for a New Era“ soll die Basis bilden für die Vorschläge, die Stoltenberg dem diesjährigen Nato-Gipfel vorlegen will und die zu einem neuen strategischen Konzept der Nato führen sollen. Die mehr als hundert Empfehlungen der Expertengruppe reichen von der Stärkung der politischen Rolle der Nato über Energiesicherheit und Klimaschutz bis zu Strukturfragen der Organisation.

Worum geht es im Kern?

Erstens werden „Zusammenhalt und Konvergenz“ (cohesion and convergence) beschworen. Die eingegangenen Verpflichtungen, vor allem das Zwei-Prozent-Ziel, müssten erfüllt werden.

Zweitens solle die „geopolitische und ideologische Herausforderung durch Russland und China“ abgewehrt werden. Das strategische Umfeld sei gekennzeichnet durch die „systemische Rivalität eines beharrlich aggressiven Russlands“ und den Aufstieg Chinas. Im Klartext: Wenn man das Bündnis zusammenhalten will, braucht man nun mal Gegner.

Europa gegen Russland, Asien für die USA

Aber es geht noch viel weiter. Man hat nicht nur den „euroatlantischen Raum“ im Blick, sondern denkt an eine globale Wirkungsweise – von einer stärkeren militärischen Zusammenarbeit mit den eigentlich neutralen EU-Mitgliedern Finnland und Schweden über engere Bindungen mit der Ukraine und Georgien bis hin zu Interventionen in Afrika und Partnerschaften im Indo-Pazifik und Asien – mit Australien, Japan, Indien, Südkorea. Im Gespräch ist bereits eine „globale Arbeitsteilung“, wie es Wess Mitchell, Co-Vorsitzender der Reflection Group, auf einer Veranstaltung des German Marshall Fund im März nannte.

Während die „Europäer“ sich auf Russland konzentrieren sollten, stünde Asien für die USA im Vordergrund. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato wäre auch in dieser Hinsicht von großer Bedeutung, ergo noch mehr Aufrüstung.

Dass trotz genereller Bekenntnisse zur Nato Differenzen im Hinblick auf das künftige strategische Konzept bestehen, zeigte sich auf der virtuellen Münchner Sicherheitskonferenz am 19. Februar. Man müsse sich auf den langfristigen strategischen Wettbewerb mit China vorbereiten, wofür das Zusammenwirken von „USA, Europa und Asien“ wichtig wäre, so US-Präsident Biden.

Das gelte auch gegenüber der Bedrohung durch Russland. Allerdings ließ Bundeskanzlerin Merkel das Interesse an Kooperation mit Moskau erkennen.

China sei zwar ein systemischer Wettbewerber, man brauche es aber zur Lösung globaler Probleme. Versteht sich, dass dahinter auch das Interesse an weiterer Wirtschaftskooperation steht.

Macron will Russland einbinden  

Prononciert sprach sich Präsident Macron für eine komplett neue Sicherheitsagenda aus, die auch den Dialog mit Russland einschließen solle. Er machte deutlich, dass die von ihm vertretene „strategische Autonomie Europas“ ein neues Gleichgewicht im transatlantischen Verhältnis zum Ziel habe. „Europa“ und die USA als pazifische Macht hätten nun mal nicht die gleichen Prioritäten.

Unter Berufung auf die strategischen Grundsätze von General de Gaulle scheint „Nato 2030“ im französischen Militär auf Kritik zu stoßen. Ehemalige Generäle und höhere Offiziere des Cercle de Réflexion Interarmées betonten in einem offenen Brief an Nato-Generalsekretär Stoltenberg, Frankreich könne „dem abenteuerlichen Konzept niemals zustimmen, das Europa unter amerikanische Vorherrschaft stellen will“.

Fazit: Die Biden-Administration drängt auf eine „Eindämmung“ Chinas und Russlands mit Hilfe der Verbündeten und Partner. Aber dient das auch deren Interessen?

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WeltTrends
Das außenpolitische Journal:
"Afrika und Europa. Ein strategisches Bündnis?"
Ausgabe 175, Mai 2021

Potsdamer Wissenschaftsverlag
72 Seiten
Zeitschrift
5,80 Euro
ISBN 0944-8101 (ISSN)
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