Wie hört es sich an, wenn ein Hase eine Himbeere isst? Chloe Dalton, die dieses Geräusch oft erlebt hat, beschreibt es als klebrig und schmatzend – etwas, das man sich kaum vorstellen kann, ohne es selbst gehört zu haben. Anders als Hunde, die ihr Futter oft mit den Pfoten festhalten, nehmen Hasen die Himbeeren direkt ins Maul und zerkleinern sie zwischen ihren Kiefern, indem sie die Frucht Stück für Stück einsaugen. Sie tun dies ernst und nachdenklich, jedoch ohne Gier.
Daltons Buch „Hase und ich“, das in England zum Bestseller avancierte und nun auf Deutsch beim Klett-Cotta-Verlag erscheint, erzählt eine bemerkenswerte Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Menschen und einem wilden Hasen, verbunden durch eine tiefe Liebe zur Freiheit. Ihre Geschichte beginnt an einem eisigen Tag im Februar 2021, als sie während eines Spaziergangs auf einem Feldweg im Norden Englands ein verlassenes Hasenbaby findet, kaum größer als ihre Handfläche. Obwohl sie wenig über diese Tiere weiß, entschließt sie sich, das junge Tier nicht seinem Schicksal zu überlassen und nimmt es mit in ihr umgebautes Scheunenhaus.
Sie sammelt schnell Informationen darüber, wie man Hasenbabys füttert, recherchiert im Internet und konsultiert ihre Schwester, die auf einem Bauernhof lebt. Mit laktosefreier Milch, die sie mit einer Pipette füttert, päppelt sie das Tier auf. Später frisst es auch Haferflocken, die bereits erwähnten Himbeeren und schließlich Klee. Der junge weibliche Hase wächst heran und behält trotz der engen Koexistenz mit seiner Retterin seine Wildheit bei. Über die nächsten zwei Jahre pendelt das Tier zwischen dem Landhaus, dem Garten und den umliegenden Feldern, kehrt aber immer wieder zurück, um nicht nur Himbeeren zu essen, sondern auch um dort seine Jungen zur Welt zu bringen.
Bevor Chloe Dalton zur „Hasenflüsterin“ wurde, führte sie ein ganz anderes Leben. Sie arbeitete über zehn Jahre lang für den britischen Außenminister William Hague, reiste oft in Krisenregionen im Nahen Osten, Afrika und Afghanistan. Zudem war sie maßgeblich am Aufbau einer von Hague und Angelina Jolie initiierten Kampagne zur Bekämpfung von Vergewaltigung und sexueller Gewalt gegen Frauen in Kriegs- und Krisengebieten beteiligt. Seitdem ist sie als politische Beraterin und Redenschreiberin in London tätig – ein Leben voller Adrenalin und ständiger Krisen.
Als sie während der Corona-Pandemie nach London in ihre Scheune zog, stieß sie auf das Hasenbaby und erlebte einen angenehmeren Ausnahmezustand. „Anfangs machte ich mir nur selbst Notizen über meine Beobachtungen“, erklärt Dalton in einer Videoschalte aus London. Erst später wurde ihr klar, wie außergewöhnlich diese Erfahrungen zwischen Mensch und Tier waren, sodass sie beschloss, ein Buch darüber zu schreiben.
Heute gibt es viele ähnliche Geschichten, die in Kinderbüchern, Filmen oder Dokumentationen erzählt werden, in denen die Protagonisten durch Begegnungen mit Tieren zu besseren Menschen werden. Was Daltons Buch von anderen unterscheidet, ist, dass sie keine sentimentale Tiergeschichte liefert und das Tier nicht vermenschlicht. „Es war mir wichtig, dass ich den Hasen nicht vermenschliche. Ich gebe ihm keinen Namen, nenne ihn nur ‚Hase’“, sagt sie. Sie begegnet ihm mit Neugier, Respekt und lässt ihm größtmögliche Freiheit. Der Hase kann kommen und gehen, wann er möchte, und durch den Garten sowie die Felder streifen.
Dalton beschreibt die Ess- und Schlafgewohnheiten sowie andere Charaktereigenschaften des Tieres teils mit wissenschaftlicher Genauigkeit, teils mit poetischer Sprache, wenn sie zum Beispiel das wechselnde Fell der Häsin beschreibt, das sie manchmal an einen lebendigen Dürer-Hase erinnert. Sie ergänzt ihre persönlichen Beobachtungen mit einer Fülle an Fakten und Mythen über Hasen aus der Wissenschaft, historischen Schriften, Märchen und Legenden.
Dalton erzählt von den über Jahrhunderte hinweg oft widersprüchlichen Wahrnehmungen dieser Tiere, die als heilig und heidnisch, als Vorboten von Unglück und Glück galten. Sie waren Symbole für Fruchtbarkeit, was vermutlich das Bild des heutigen Osterhasen inspirierte, und im Buddhismus standen sie für Mut und Aufopferung. Hasen wurden aber auch, und das nicht nur in Shakespeares „Was ihr wollt“, als feige, verrückt und niederträchtig dargestellt.
Daltons himbeerfressende Mitbewohnerin ist anders: kein Angsthase, sondern ein Tier, das trotz aller gewährten Distanz immer dem Menschen zugewandt bleibt, neugierig und manchmal auch mysteriös. Vor allem aber wirkt die Häsin beruhigend, wenn sie, ausgestreckt auf die Hinterläufe auf der Treppe des Wohnzimmers schlummert und leise mit den Zähnen klappert, während Dalton nur ein paar Meter entfernt an ihrem Schreibtisch arbeitet und an einer Zoom-Konferenz über eine neue Krisenregion irgendwo auf der Welt teilnimmt.
Dalton bezeichnet die Häsin als eine stille, würdevolle Gefährtin. „Ich habe sie nicht gezähmt, aber sie hat mich in vielerlei Hinsicht beruhigt“, sagte sie. In Zeiten, in denen uns täglich neue bedrohliche Nachrichten erreichen, wünscht man sich auch einen Hasen in seiner Nähe. Einen, der in solchen Momenten leise mit den Zähnen klappert – oder schmatzend eine Himbeere verschlingt.
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Jonas Feldmann ist ein erfahrener Journalist mit Schwerpunkt auf Wirtschafts– und Finanzthemen. Seine Analysen und Hintergrundberichte bieten tiefgehende Einblicke in die deutsche und internationale Wirtschaft.