90er-Jahre Nostalgie: Warum wir sie lieben und das auch gut ist!

Warum wir von den 90ern nicht lassen können – und das vielleicht auch gut so ist

Wie reagiert man an einem Dienstagmorgen nach Pfingsten darauf, dass ein Arbeitskollege plötzlich Tickets für ein Kruder-&-Dorfmeister-Konzert in Wien besitzt und sich darüber freut?

Peter Kruder und Richard Dorfmeister, zwei DJs und Produzenten, wurden in den 1990ern bekannt. Sie erlangten Berühmtheit, weil 1. sie optisch ironisch an Simon & Garfunkel erinnerten und 2. sie mit cleveren Samples und verlangsamten Beats einen Sound kreierten, der zunächst avantgardistisch wirkte und bald darauf große Beliebtheit erlangte. In den mittleren 90ern hatte man fast Angst, einen Fahrstuhl zu betreten, weil man dort von diesen Downbeats überrascht werden könnte.

Diese nostalgische Schwärmerei hat durchaus Gesellschaft. Es ist allgemein bekannt, dass sowohl die Generation Z als auch die Generation A eine Vorliebe für die Mode und Eigenarten der 90er Jahre haben. Diese Sehnsucht nach einer Zeit, die sie nie erlebt haben, spiegelt sich heute in unserer komplizierten Gegenwart wider.

In ihrem umfangreichen Artikel „Everything Millennial is Cool Again“ zählt die „New York Times“ – selbst eine Art Millennial-Zeitung – zahlreiche Phänomene auf, die wieder modern sind. Dazu gehört der Männerbart, man denke nur an Benson Boone, einen Künstler und Bewunderer von Freddy Mercury.

„Sex in the City“ wurde zunächst eingestellt, dann modernisiert und nun wird die neue Staffel der Fortsetzungsserie „And just like that“ gefeiert. Broschen, Haarspangen und Ziergummis sowie aufwendige Frisuren sind wieder in Mode, wie die aktuellen Konzerte von Beyoncé zeigen, bei denen die Haarpracht fast die Bühne verdeckt.

LESEN  Menschen sehen ewig jung aus: Geheimnis des ewigen 35-Jährigen enthüllt!

Eines der bemerkenswertesten Comebacks erleben jedoch kabelgebundene Kopfhörer. Neun Jahre nach der Einführung der AirPods sieht man überraschend viele Menschen aller Altersgruppen, bei denen dünne, weiße Kabel aus den Ohren hängen. Die Nachteile sind offensichtlich: sie verheddern sich und man bleibt leicht hängen.

Doch vielleicht liegt genau darin der Reiz: Nach Jahrzehnten des ständigen Vorwärtsstrebens bietet ein solcher Anker, auch wenn er noch so dünn ist, einen gewissen Trost. Die Botschaft lautet: Es gibt eine Vergangenheit, es gibt einen Weg zurück. Wahrscheinlich möchte niemand ernsthaft zu einer Zeit ohne Tinder und ChatGPT zurückkehren. Aber das Gefühl der Ausweglosigkeit kann beengend wirken. Die Reminiszenzen an die Vergangenheit schaffen eine Illusion von Wahlfreiheit. Angeblich ist der Klang mit Kabeln besser, doch dieses Argument hat den technischen Fortschritt noch nie aufhalten können.

Jarvis Cocker, der Sänger mit mutmaßlich rötlich getöntem Haar und dem gleichen schlanken Körper wie vor 30 Jahren, surft ebenso auf dieser Welle. In diesem Sommer geht seine Band Pulp wieder auf Tour (natürlich auch die ehemaligen Rivalen Oasis). Seine berühmte Textzeile lautet: „Irony is over, bye bye“ aus dem Lied „The Day After the Revolution“. Die Wiedergänger der Popkultur erinnern uns daran, dass die echte Revolution vielleicht noch bevorsteht.

Ähnliche Artikel

Diesen Beitrag bewerten

Schreibe einen Kommentar

Share to...