99 Jahre Heldenverehrung

Der 23. Februar vom „Tag der Roten Armee“ bis zum „Tag des Vaterlandsverteidigers“

von Alexander Frese

Heute wird in Russland wieder der „Tag des Vaterlandsverteidigers“ gefeiert, der seit 2002 auch tatsächlich arbeitsfrei ist. Bis dahin war der 23. Februar nur für Angehörige der Streitkräfte, denen der Feiertag gewidmet ist, tatsächlich auch ein freier Tag. Und obschon in den russischen Streitkräften zweifellos auch Frauen dienen, wird der Tag in Russland inoffiziell auch als „Männertag“ gefeiert, an dem russische Männer zuweilen sogar mit kleinen Aufmerksamkeiten von Frauen rechnen dürfen – ob sie sich nun als „Vaterlandsverteidiger“ bewährt haben oder nicht.

Die Ursprünge und Wandlungen des Feiertags sind komplizierter – und haben mit den deutsch-russischen Beziehungen mehr und auf andere Weise zu tun – als man auf den ersten Blick vielleicht denken könnte. Seine Tradition reicht an die Anfänge der Sowjetzeit zurück.

Als der Tag heute vor 99 Jahren, am 23. Februar 1922, erstmals begangen wurde, sollte damit dem vierten Jahrestag der Gründung der Roten Armee Ehre erwiesen werden. Der „Tag der Roten Armee“ wurde seither jährlich gefeiert, 1946 allerdings in „Tag der Sowjetischen Armee“ umbenannt und 1949 zum „Tag der Sowjetischen Armee und der Kriegsmarine“ erweitert“. So blieb es bis 1992.

Im Jahr 1995 wurde der 23. Februar dann gesetzlich zum „Tag des Sieges der Roten Armee über die kaiserlichen Truppen Deutschlands (1918) – Tag der Vaterlandsverteidiger“ bestimmt. Erst seit fünfzehn Jahren trägt er seine heutige Bezeichnung.

Dürfen wir aus dieser Abfolge seiner Bezeichnungen schließen, dass die Rote Armee am 23. Februar 1918 gegründet wurde und schon am gleichen Tag auch einen Sieg über die Truppen des kaiserlichen Deutschlands errang? Nicht ganz, denn tatsächlich datiert der Erlass der Bolschewiki zur Gründung einer neuen, „Roten Arbeiter- und Bauernarmee“ schon auf den 28. Januar 1918. Und wenngleich das Dekret erst am 2. Februar 1918 veröffentlicht wurde, lag auch dieses Datum immer noch drei Wochen vor dem Tag des später offiziell begangenen Feiertags.

Tag des deutschen Diktatfriedens

Letztlich spielte der Zufall die entscheidende Rolle. Als 1919 ein erster Anlauf unternommen wurde, den Jahrestag der Schaffung der Armee des revolutionären Russlands zu begehen, wurde dafür zwar korrekt der 28. Januar vorgeschlagen. Diese Initiative konnte jedoch nicht rechtzeitig umgesetzt werden, weshalb kurzerhand der 17. Februar, ein Montag, vorgeschlagen wurde. Gefeiert wurde der „Tag des Roten Geschenks“, an dem viel gespendet werden sollte, dann aber erst am folgenden Sonntag, den 23. Februar – und unter dieser Bezeichnung auch nie wieder.

Historikern ist der 23. Februar 1918 bekannt als der Tag, an dem der deutsche Generalstab den Bolschewiki ultimativ die nochmals verschärften Friedensbedingungen des kaiserlichen Deutschlands übermittelte. Vorausgegangen waren die seit Dezember 1917 ergebnislos geführten Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk, die die deutsche Seite – enerviert durch Trotzkis Taktik, „weder Krieg noch Frieden“ mit den Deutschen einzugehen – mit einer Wiederaufnahme des Vormarschs am 16. Februar 1918 beendet hatte. Auf nennenswerten militärischen Widerstand traf dieser dabei nicht.

Die neuen Bedingungen, die die Bolschewiki binnen 48 Stunden anzunehmen hatten, waren äußerst hart und verlangten der sowjetischen Seite große Gebiets-, Bevölkerungs- und wirtschaftliche Verluste ab. Erst nach vielen Stunden erhitzter Diskussion, Rücktrittsdrohungen Lenins und angesichts der verzweifelten militärischen Lage entschied das Zentralkomitee in der Nacht auf den 24. Februar mit 112 zu 84 Stimmen (bei 24 Enthaltungen), den deutschen Diktatfrieden anzunehmen – wenige Stunden vor Ablauf des Ultimatums.

Vor diesem Hintergrund entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass der Tag des Vaterlandsverteidigers ausgerechnet auf den 23. Februar fällt – was seither auch gelegentlich kritisch angemerkt wurde. Aber wer will eine Tradition nach 99 Jahren schon noch ändern?

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