‚Russland kann kein Partner sein‘
Jan Claas Behrends fordert eine neue Russlandpolitik nach dem Beispiel Polens, Russland verstehen, 17.11.2021
Das aggressive Auftreten der russischen Regierung in der Außenpolitik und die Repressionen gegen die Opposition und Menschenrechtsorganisationen wie Memorial merkt Jan Claas Behrends auf der Webseite des Zentrums Liberale Moderne mit dem Titel „Russland verstehen“ an: „Die Zerstörung der Freiheit in Russland bekommen zuerst seine direkten Nachbarn wie die Ukraine zu spüren“, schreibt der Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. „Die verschärften Maßnahmen des Kremls gegen Opposition und Zivilgesellschaft sind zudem Teil der Mobilisierung der Bevölkerung für den Konflikt mit dem Westen – ein Konflikt, der nach dem sowjetischen Machtverständnis der Machthaber keinen Dissens im Inneren erlaubt.“ In „Putins Wagenburg“ werde für Dissens die Luft knapper.
Erst Bestandsaufnahme, dann Neustart
Die neue Koalition ruft er zu einer „schonungslosen Bestandsaufnahme“ auf. „Wo stehen Deutschland und Europa im Umgang mit Putins Russland nach 16 Jahren Angela Merkel?“
Behrends‘ Antwort: „Wir sind schwach und erpressbar.“ Weil die letzten Regierungen „keine grundlegende Revision ihrer Russlandpolitik“ zustande gebracht hätten. Dabei definiere sich Putins Russland längst „durch seine Gegnerschaft zum Westen und seinen Werten“. Deshalb könne dieses Land kein Partner sein. Er empfiehlt der künftigen Regierung einen „Kurswechsel“, hin zu containment wie im Kalten Krieg, natürlich europäisch koordiniert, ein „robusteres Auftreten gegenüber Moskau“. Und in Bezug auf die Ukraine „ein reset deutscher Außenpolitik“.
Wegen der „Fixierung auf Russland“ und des bedingungslosen Festhaltens an Nord Stream 2 sei viel Vertrauen bei den östlichen Nachbarn zerstört worden. „Eine neue Bundesregierung wird sich nicht nur darum bemühen müssen, die energiepolitische Abhängigkeit von Moskau zu verringern – ihr Ziel muss es zugleich sein, bei unseren Partnern in Osteuropa wieder Vertrauen aufzubauen.“
Außerdem seien „einige Tabus deutscher Ostpolitik zu hinterfragen“. Berlin blockiere „eine europäische Perspektive für die Ukraine, die Aufnahme in die NATO und die Ausstattung mit und Lieferung von Waffen zur Verteidigung ihrer Souveränität“. Stattdessen habe die frühere Bundesregierung „de facto die Position Moskaus unterstützt“. In Zukunft müsse es der Kreml sein, der Zumutungen zu tragen hat.
Behrends fordert einen „Neustart der deutschen Russlandpolitik“. Aber wohin soll die deutsche Russlandpolitik nach dem Neustart laufen und wie soll sie aussehen?
Behrends: Die neue Regierung könne sich „am realistischen Ansatz unserer Nachbarn und Verbündeten wie Litauen, Lettland oder Polen orientieren. Sie sind schon weiter als die deutsche Politik.“ PHK