Putins Wahlgeschenke, stippchenartig
Putins Rede hat die Russen nicht überrascht, auffällig waren allenfalls die Lücken
Wladimir Putins Rede vor der Föderalen Versammlung am 21. April hat nur wenige Russen überrascht und noch weniger erschrocken. Als Hauptbotschaft sehen Journalisten das Versprechen von Sozialleistungen und Auszahlungen an die Bevölkerung.
Konstantin Eggert nennt es „Elektoratbestechung“, die anscheinend nun in die aktivste Phase eintrete. Neben dem „Geldausgaben vor den Wahlen“, so der Journalist in seiner Kolumne für den Fernsehsender Deutsche Welle, widmete sich Putin ausführlich der Bekämpfung der Covid-Pandemie.
Über Außenpolitik sprach Putin nur wenig und erst am Ende seines jährlichen Auftritts, Poslanie, vor rund tausend russischen Spitzenpolitikern und Beamten. Internationale Konflikte und Beziehungen waren kein Thema. „Der Grund ist klar: Russland ist im Westen so isoliert, dass es, eigentlich, nichts zu sagen gibt. Es gibt so gut wie keine Beziehungen“, so Eggert.
Putin hatte allerdings reichlich diffus gesagt, Moskau sei bereit, mit allen zusammenzuarbeiten. Die USA verglich er mit dem Tiger Shir Khan aus dem Dschungelbuch, und andere Länder, die Russland widerstehen, mit dem hinterhältigen Schakal Tabaki. Dieser Satz immerhin schlug sich in den russischen sozialen Medien nieder. Laut Eggert könnte Putin mit "Tabaki" Tschechien gemeint haben oder die Ukraine
In westlichen Medien schlug sich Putins Warnung nieder, rote Linien zu überschreiten. Welche er meint und wo sie verlaufen, "das werden wir in jedem konkreten Fall selbst entscheiden". Für Eggert Anlass zu einem Scherz: Ziel der Rede scheine gewesen zu sein, alle zum Rätseln zu bringen, was der Kremlchef plane.
Die sozialen Aspekte der Rede hob auch Igor Nikolajew in seinem Beitrag für Nowaja Gaseta hervor. Putin versprach finanzielle Unterstützung für Familien mit Kindern, für alleinstehenden Eltern und für arbeitende Frauen. Für Nikolajew sind diese Maßnahmen aber nicht systematisch und nicht richtig durchgedacht: „Die Durchsetzung des Vorschlags von Auszahlungen für Kinder im Alter von 8 bis 16 Jahren für alleinerziehende Eltern könnte dazu führen, dass Menschen sich zum Schein scheiden lassen“, meint der Autor. „Du lässt dich scheiden, wohnst weiterhin zusammen, bekommst aber Zuzahlungen für das Kind. Ich bin mir sicher, dass die Bürger so was sehr schnell kapieren werden“
Für Nikolajew sind die angekündigten sozialen Maßnahmen schwach und nicht dazu geeignet, die Lage der Bürger mit sinkenden Einkommen insgesamt zu verbessern. Außerdem habe Putin nichts über die mit Spannung erwartende Rentenerhöhung für Berufstätige gesagt. Er nannte die Vorschläge sowie die Rede selbst „stippchenartig“. Nikolajew weiter: „Genauso stippchenartig werden die Ergebnisse der Implementierung sein.“
Anton Orekh betont in seinem Beitrag für den Radiosender Echo Moskwy, dass Putin die Bürger dazu aufgerufen hat, sich impfen zu lassen. „Das bedeutet, dass wir die Pandemie nicht bekämpft haben, dass die Situation wirklich ernst ist und es bei der Impfkampagne klemmt“, schreibt der Journalist. Für ihn war dieser Aufruf viel wichtiger als „Verteilen von Geld mit der Gießkanne“. TF