Nobelpreis: Wieso Dmitri Muratow?
Warum ging der Nobelpreis nicht an Nawalny? Und warum ist Dmitri Muratows Nowaja Gaseta nicht verboten? Andrei Kolesnikow gibt Antworten, 8.10.2021
Der Friedensnobelpreis für Dmitri Muratow sei an den Herausgeber eine Zeitung gegangen, „die immer gegen die Obrigkeit aufgestanden und für Menschenrechte eingetreten ist, und die das Genre des investigativen Journalismus in Russland gegründet hat“, kommentiert Andrei Kolesnikow. Er stellt fest, dass der Preis nicht an Alexei Nawalny gegangen sei, der ebenfalls nominiert gewesen war, sondern an jemanden, der die Redefreiheit verkörpere, die in Russland unter Feuer stehe. Und das sei „entscheidend, um zu verhindern, dass Nawalny in einem Informationsvakuum und damit ohne öffentlichen Schutz verharrt“. Nun frage sich nun, weshalb solch eine Bastion der Opposition gegen das Regime bisher nicht zum „ausländischen Agenten“ erklärt wurde.
Die Erklärung von Kolesnikow, der selbst einige Jahre für Nowaja Gaseta gearbeitet hat: „Dmitri Muratow ist ein politisches Schwergewicht.“ Er und Alexei Wenediktow des Hörfunksenders Echo Moskwy seien „im drastisch beschränkten nicht zensierten Sektor der Medien“ übriggeblieben, weil sie von den Behörden wirklich respektiert würden. „Es gibt hochrangige Figuren, die im Dialog mit beiden geblieben sind und ihre Meinung berücksichtigen.“ Sie seien „kompromisslos und unnachgiebig und wissen mit den Mächtigen so zu reden, dass sie sie nicht missachten können“.
Außerdem, so Kolesnikow, würde Nowaja Gaseta „niemals die Zusammenarbeit mit der Obrigkeit aus prinzipiellen Gründen ablehnen“. Ganz im Gegenteil sei es für eine Publikation, die sich regelmäßig für Menschen mit seltenen Erkrankungen oder anderen Problemen einsetzt, „manchmal nötig, mit dem Staat zusammenzuarbeiten, um Leben zu retten. Und diese Einstellung wird Muratow immer vertreten, selbst wenn es zu Konflikten mit denen führt, die das anders sehen.“ Er meint Oppositionelle, die dem Staat grundsätzlich widerstehen.
Diese Feinheiten, so Kolesnikow, seien dem Nobelkomitee wahrscheinlich nicht vertraut. Entscheidend sei, dass es die Repression sehe. „Es sieht außerdem, dass die Redefreiheit, für die Menschen ihre Freiheit und ihr Leben verlieren, in Russland jetzt Hilfe benötigt.“ PHK