Gabor Steingarts gepfeffertes Gericht
Über die Gnadenlosigkeit gegen jene, die auf Dialog mit Russland gesetzt haben, The Pioneer, 7.4.2022
Gabor Steingart bürstet ja gern gegen den Strich. Man könnte sagen: Er nimmt das Grundgesetz beim Wort und nutzt die garantierte Meinungsfreiheit maximal. Heute zu Putins Krieg und unserer Debatte darüber: „Mit der Kraft der Gräuelbilder versucht man, die deutsch-russische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg als unzeitgemäße Anschauung zu diskreditieren.“
Das aber ist erst der Anfang. Weiter in Gabors gepfeffertem Gericht:
„Seit den Gräueltaten von Butscha wird mit einer Grundkonstante der deutschen Außenpolitik seit 1945 abgerechnet. Der Konsens, dass, nach dem Angriffskrieg der deutschen Wehrmacht mit mindestens 27 Millionen getöteten Russen, in den deutsch-russischen Beziehungen eine schuldbewusste Demut zu walten habe, scheint beendet.“ Wandel durch Annäherung werde nun „von vielen im Ordner der gescheiterten Ideen abgeheftet“.
Schonungslos werde nun abgerechnet mit all denen, die auf Dialog gesetzt hätten. Steingart spricht von „Gnadenlosigkeit“ und „tabula rasa“ mit Gesprächsdiplomatie, kulturellen Austauschprogrammen und dem Geist der Aussöhnung. „Hardliner aller Länder verlangen nach politischer Härte, militärischer Rüstung und kultureller Polarisierung. Man könnte meinen, der Kalte Krieg wird als Remake nochmal auf die Bühne geholt.“
Steingart erinnert an Stefan Zweig, der von „Hasstrommel“ schrieb, die vor dem Krieg geschlagen würden. „Krieg läßt sich mit Vernunft und gerechtem Gefühl nicht koordinieren. Er braucht einen gesteigerten Zustand des Gefühls, er braucht Enthusiasmus für die eigene Sache und Hass gegen den Gegner.“
Sein Appell: „Die Deutschen sollten denselben Fehler nicht zum dritten Mal begehen. Wir bekämpfen Putin. Aber wir bekämpfen nicht die russischen Bürger. Im besten Falle wird es später heißen: Die Deutschen haben aus ihrer Geschichte gelernt. Diesmal wurde nicht zurückgehasst.“ PHK