Biden: ‚Ein Angriff auf das ganze Land‘
Wladimir Putin ein Killer? Wie russische Medien Joe Bidens Aussage kommentieren
Die bejahende Antwort von US-Präsident Joe Biden auf die Frage eines Journalisten, ob der russische Präsident Wladimir Putin ein Mörder sei, traf in den russischen Medien auf entschiedene, teilweise mit Beleidigungen durchsetzte Kritik. Nicht nur staatliche, sondern auch unabhängige Berichterstatter finden den Satz von Biden nicht besonders glücklich.
Der Kolumnist des Moskauer Radiosenders Ekho Moskwy Anton Orekh meint, Biden agiere im Interview, das der Sender ABC am Mittwoch veröffentlicht hat, eher als „einfacher Bürger, nicht als Politiker“.
„Putin trägt Verantwortung unter anderem dafür, dass die Geheimdienste Menschen vergiften und töten, im Ausland und in Russland selbst“, so Orekh. Kletterten sogar mit Gift in die Unterhose wie im Fall Nawalny. Putin sei „der Garant des Systems, dass all das macht. Die Situation wird vom Jahr zu Jahr nur schlechter und auf wen sollen wir mit dem Finger zeigen, wenn nicht auf den mächtigsten Menschen in dem Land? Darüber zu sprechen aber, und sei es indirekt, ist in Russland gefährlich. Und Biden schlägt salopp zu, ohne sich dabei Gedanken über Anstand und Formalitäten zu machen, nach der Art eines Cowboy.“
Lackmuspapier für die Opposition
Wladimir Solowjow, einer der bekanntesten Moderatoren des staatlichen Senders Rossiya 1, „befürchtet“, dass der Tag, an dem das Interview ausgestrahlt wurde, „in die Geschichte eingehen wird“. Es sei „de facto eine Ankündigung des Kalten Kriegs 2.0“, sagte er in seiner Sendung vom 17. März. Die Worte von Biden nannte er „Lackmuspapier“ für die russische Opposition: „Wer diese Aussage wiederholt – mit dem ist wohl alles klar. Man braucht keine weiteren Gespräche, man hat sich gezeigt.“ Solowjow weiter: „Diese Aussage nennt man bereits zum Triumph des politischen Blödsinns. Der Angriff von USA auf Putin ist ein Angriff auf das ganze Land!“
Besonders extrem kommentierte Tina Kandelaki, Celebrity und Leiterin des staatlichen Sportsender Match TV. In ihrem Beitrag für ebenso staatlichen Sender RT bezeichnete sie den amerikanischen Präsidenten als „einen Alten“, dessen „Probleme mit dem Sprechen und Artikulation Legasthenie sehr ähnlich sind“.
Sergey Radchenko, Professor der Universität Cardiff für internationale Politik urteilt: Bidens Äußerung „war falsch“. „Jetzt findet ein Spiel für das Publikum statt, das es zuvor in diesem Ausmaß nicht gab – von beiden Seiten. Wir sehen doch, wie schnell die Reaktion von der Seite Russland kommt: Putin hat bereits geantwortet, dass der Opa sich erholen und um seine Gesundheit kümmern soll“, schrieb Radchenko in einer Kolumne für „Meduza“, ein unabhängiges Online-Medium mit dem Sitz in Riga. Adressat von Bidens Aussage seien vor allem amerikanische Zuschauer.
Das Narrativ über die Art und Weise, wie Biden seine Antwort gab, haben viele Politiker angegriffen um den US-amerikanischen Präsidenten als alten Mann mit gesundheitlichen Problemen darzustellen. Für Anton Orekh ist klar: Mimik und Ton des amerikanischen Präsidenten seien im Moment des Interviews genauso wichtig, wie die Aussage selbst. Sie räumen alle möglichen Zweifel weg und geben ein umfassendes Bild: Biden wusste ganz genau, was er sagt.