Der Ukraine stehen Reparationen zu

Aber soll die Ukraine auch durch eingefrorene Vermögenswerte von russischen Oligarchen entschädigt werden?

von Thomas Borer
Geld für den Wiederaufbau braucht die Ukraine. Woher soll es kommen?

Mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Russland die Souveränität seines Nachbarlands und grundlegendes Völkerrecht in gröbster Weise verletzt. Das menschliche Leid sowie der finanzielle und wirtschaftliche Schaden sind enorm, und es steht fest, dass eine Erholung des Lands und der Wiederaufbau der zahlreichen fast komplett zerstörten ukrainischen Städte mehrere Jahre in Anspruch nehmen werden.

Man spricht mittlerweile von mehreren hundert Milliarden US-Dollar, die der Aufbau der Ukraine kosten wird. Innerhalb der EU häufen sich die Stimmen derer, die auch die eingefrorenen Gelder von Oligarchen für Reparationen einsetzen möchten.

Auch die Sozialdemokratische Partei (SP) hat im Mai eine Motion eingereicht, welche die gesetzliche Grundlage schaffen will, um die eingefrorenen Vermögenswerte hierfür zu verwenden. Es ist offensichtlich, dass dafür zuerst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden muss. Die westlichen Rechtsstaaten dürfen nicht Unrecht mit Unrecht vergelten.

Dementsprechend hat Bundespräsident Cassis an der Ukraine Recovery Conference im Juli 2022 darauf hingewiesen, dass ein solches Vorgehen nur in einem geregelten Prozess stattfinden kann. Bei den eingefrorenen Geldern handelt es sich immer noch um blockierte und nicht um beschlagnahmte Gelder.

So hat auch das Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) klar festgehalten, dass die Vermögenswerte von Privaten lediglich eingefroren sind; die Eigentumsverhältnisse sind klar geregelt. So verliert eine mit Sanktionen belegte Person diesen Eigentumsanspruch auch bei eingefrorenen Vermögen nicht. Man kann von mir aus auch den – mittlerweile leider salonfähigen – Weg gehen, die Beweislastumkehr anzubringen. Das würde hier also konkret heißen: „Guilty until proven innocent.“

Aber jedes Individuum, dessen Eigentum durch Sanktionen blockiert wurde, muss in Europa und der Schweiz das Recht erhalten, sich in einem gerichtlichen Verfahren zu exkulpieren und zu beweisen, dass er oder sie zu Unrecht von Sanktionen betroffen ist, zum Beispiel weil er oder sie keine besondere Beziehung zum Regime Putin hat oder ihm bzw. ihr keine Unterstützung des Angriffskriegs oder der widerrechtlichen Aktionen der russischen Regierung vorzuwerfen ist.

Der Bundesrat wäre gut beraten, sich zeitgerecht außenpolitisch für die Schaffung der notwendigen rechtlichen Grundlagen für Reparationen und ein entsprechendes rechtsstaatliches Verfahren zur Exkulpierung einzusetzen, denn dies sollte in allen westlichen Staaten weitgehend gleich ablaufen.

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Sanktionen gegen Russland und russische Staatsbürger ein wichtiges Instrument sind. Aber sie müssen klug gewählt sein und dürfen ihr Ziel nicht verfehlen. Und sie müssen im Rahmen unseres Rechtsstaates erfolgen: Denn «Moral ist das, was die Königin vom Bienenstock erwartet, nicht von sich selbst» (Marty Rubin).

Thomas Borer ist Unternehmensberater und ehemaliger Botschafter der Schweiz in Deutschland. Sein Beitrag ist am 15.8.2022 erschienen in: Neue Zürcher Zeitung / © Neue Zürcher Zeitung

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