Petersburger Dialog: Forum der Zivilgesellschaft
Vor 20 Jahren, am 9. und 10. April 2001, traf sich der Petersburger Dialog zur ersten Sitzung
Auf der Newa trieben noch Eisschollen, aber die Frühlingssonne wärmte schon die Spaziergänger am Ufer, als sich die Teilnehmer des ersten Petersburger Dialogs zum „Gipfel der Zivilgesellschaft“ trafen. Initiiert von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kamen am 9. und 10. April 2001 Vertreter von „Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur beider Staaten“ zusammen, parallel zu den Regierungskonsultationen in St. Petersburg. Das Treffen sollte, so Schröder, „dauerhafte Einrichtung der deutsch-russischen Beziehungen werden. Mit ihm wollen wir die deutsch-russischen Beziehungen fester in den Zivilgesellschaften verankern.“
Vorbild waren die sogenannten Königswinter Konferenzen, auf denen die Briten mit den Deutschen über Grundfragen der Demokratie diskutierten. Beim Petersburger Dialog sollte die sogenannte Zivilgesellschaft ins Gespräch kommen. Programm sollte der Dialog unterhalb der politischen Ebene sein. Ein Netzwerk sollte entstehen, mit dessen Hilfe Aussöhnung gelingen könnte.
Miteinander reden sollten künftig Bürgermeister mit Kulturmanagerinnen, Hochschullehrerinnen mit Bildungsexperten, Medienmogule mit Theaterleuten, „Kölner Sozialexperten mit der russischen Universitätsrektorin“, so Schröder. Auch russische businessmen sollten mit deutschen Managern sprechen, die Hemmnisse vor allem in den Verwaltungen und Widerstand der Konkurrenz fürchtenden Oligarchen beklagten.
Putin nannte den PD damals eine „Ideenbörse“. Das Gesprächsforum für die Zivilgesellschaft sollte zur „Verständigung zwischen Deutschen und Russen“ und zum Abbau von Misstrauen beitragen.
Verstehen, diskutieren, Lösungen suchen
Dass Politiker die Veranstaltung als Schirmherren präsidierten, wurde als nötig erachtet, weil Politik, Wirtschaft und Kultur in Russland noch immer eng verflochten seien und „Putin wahrscheinlich noch lange der Dreh- und Angelpunkt für die innere Entwicklung Russlands und für die deutsch-russischen Beziehungen bleiben wird“, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Wie weitsichtig im wahren Wortsinn das war, konnte damals niemand ahnen, auch der Autor nicht, Berthold Kohler.
Und doch sollten, das gilt bis heute, die Bürger zueinander finden, nicht die Politiker. Und das solle „ohne diplomatische Floskeln“ stattfinden, so kommentierte das Handelsblatt.
Der Grundgedanke sei „bestechend“, kommentierte Der Tagesspiegel. Um Vorurteile und Belastungen durch die Vergangenheit abzubauen, müsste aber auch die Jugend eingebunden werden: durch Austauschprogramme und gemeinsame Ausarbeitung von Schulbüchern. „Aber immerhin“, so Christoph von Marschall, „der Dialog der Zivilgesellschaften hat begonnen.“
Damals dominierten Tschetschenienkrieg, Nato-Osterweiterung und Raketenschild die Berichterstattung über Russland. Auch Pressefreiheit und Beutekunst in russischen Museen waren Thema. Und die Menschenrechte.
„Sehr viele hochmögende Herren mit großen Titeln“ sah der Berichterstatter der Süddeutschen Zeitung in beiden Delegationen, „aber sehr wenig Frauen und viel zu wenig junge Teilnehmer.“ Er vermisste auf russischer Seite auch Vertreter von NGOs und Menschenrechtsorganisationen wie „Nemorial“ (sic!). Dieser Satzfehler allein zeigte, wie wenig Deutsche und Russen voneinander wussten.
Bis heute geht es darum, „die inneren Konflikte eines Landes klar zu sehen und zu begreifen“. Es geht weiterhin darum, Strittiges offen zu diskutieren, und über Lösungen nachzudenken. Das gilt gerade jetzt – in besonders schwierigen Zeiten.
Was in den 20 Jahren gelungen ist und was (noch) nicht, erklärt einer der Männer der ersten Stunde, Klaus Mangold, damals Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, im KARENINA-Interview.