Mehr Frieden mit Russland wagen
Eine Initiative fordert per Zeitungsanzeige: Lasst uns Frieden mit Russland stiften
Zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion erschien in der russischen Zeitung Kommersant und in der Berliner Zeitung eine Anzeige des Deutsch-Russischen Forums und des Vereins International Peace Bureau, die einen Aufruf mit dem Titel „Lasst uns Frieden stiften“ enthielt.
Mit Bezug auf die Geschichte hieß es darin, dass „niemand diese Gräueltaten je vergessen oder relativieren darf“. Es wird darauf hingewiesen, dass „die Sowjetunion unter großen Opfern den Faschismus besiegt und Deutschland von dieser Ideologie befreit hat“ und „die Sowjetunion und ihr Rechtsnachfolger Russland maßgeblich die Wiedervereinigung Deutschlands und ein Ende des Kalten Krieges ermöglicht haben“. Abschließend heißt es in dem Aufruf: „Frieden in Europa gelingt nur gemeinsam mit Russland und nicht gegen Russland.“ An Europas Politiker erging der Appell: „Verlasst endlich die Sphäre und die Logik des Kalten Krieges!“
Auf einer Pressekonferenz beklagte als Erstunterzeichnerin die ehemalige Grünenpolitikerin Antje Vollmer die einseitige Berichterstattung in den deutschen Medien. Entspannungspolitik werde dort zunehmend interpretiert „als etwas aus vergangenen Zeiten“. Sie empfinde „zunehmend aggressive Haltungen gegenüber Russland und dem neuen großen Systemrivalen China“ und meinte, dass „wir dringend eine neue Friedensbewegung brauchen“.
Der Historiker Peter Brandt sagte: „Ein Neuanfang in den deutsch-russischen Beziehungen ist von uns erwünscht und gefordert.“ Chancen zu einem Neuansatz seien verpasst worden. „Aber es ist nicht zu spät.“
Mehr als 1300 Menschen haben die Initiative unterstützt, die „vor dem Hintergrund der schweren Spannungen im Verhältnis zu Russland ein deutliches Zeichen für Erinnerung und Versöhnung setzen“ soll, wie es im Info-Bulletin des Deutsch-Russischen Forums hieß. KARENINA dokumentiert den Wortlaut.
Lasst uns Frieden stiften
Am 22. Juni 2021 jährt sich zum 80. Mal der Überfall Nazideutschlands auf Russland und die Völker der Sowjetunion. Für uns, die Unterzeichner:innen, ist dieser Tag ein Tag der Trauer, der Scham und des Nachdenkens über eigene historische Schuld.
Von deutschem Boden ging ein beispielloser Vernichtungskrieg aus, geboren aus politischer Hybris und Rassismus gegen die Völker der Sowjetunion, besonders gegen die Juden und andere Minderheiten. Er brachte unendliches Leid über die Menschen und forderte allein in der Sowjetunion mehr als 27 Millionen Opfer, vor allem in Russland, der Ukraine und Belarus.
Es ist Teil der Verantwortung unserer Generation, dass niemand diese Gräueltaten je vergessen oder relativieren darf. Denn zur Geschichte Europas gehört auch, dass die Sowjetunion unter großen Opfern den Faschismus besiegt und Deutschland von dieser Ideologie befreit hat. Zur Geschichte des deutsch-russischen Verhältnisses gehört ebenso, dass die Sowjetunion und ihr Rechtsnachfolger Russland maßgeblich die Wiedervereinigung Deutschlands und ein Ende des Kalten Krieges ermöglicht haben.
Wir wissen: Frieden in Europa gelingt nur gemeinsam mit Russland und nicht gegen Russland.
Deshalb rufen wir die Politiker:innen Europas in Ost und West auf: Bewegt Euch! Verlasst endlich die Sphäre und die Logik des Kalten Krieges! Nicht die Panzertruppen oder Rüstungszahlen müssen wachsen, sondern die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen.
Macht es, wie es die Menschen in Russland, Deutschland und Europa in der konkreten Arbeit in Städtepartnerschaften, im Jugendaustausch, in Wirtschafts- und Wissenschaftskooperationen tun. Verlasst die mentalen Gefängnisse der Feindbilder, Ressentiments und Ängste! Lasst uns endlich Frieden stiften! Die Menschen in Europa warten schon lange darauf.
Dies ist die Lehre des 22. Juni. Und dafür stehen wir.
Die Erstunterzeichner Antje Vollmer, Adelheid Bahr, Daniela Dahn, Peter Brandt, Reiner Braun, Martin Hoffmann, Michael Müller und Matthias Platzeck