Das Ende des RGW

Vor 30 Jahren, am 28. Juni 1991, wurde der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe aufgelöst

von Alexander Frese
Moskaus Antwort auf den Marshall Plan: der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (Sowjet ekonomitscheskoi wsaimopomoschtschi, englisch: Council for Mutual Economic Assistance, Comecon).

Auch wenn er im Rückblick auf den Kalten Krieg schnell als bloßes Synonym für den Warschauer Pakt erscheinen mag – der „Ostblock“ war mehr als ein militärischer Zusammenschluss unter sowjetischer Vorherrschaft. So wie das westliche Europa von den 1950er-Jahren an unter anderem in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wirtschaftlich kooperierte, so waren auch die im sowjetischen Einflussbereich stehenden Staaten Ost- und Mitteleuropas durch eine internationale Organisation für wirtschaftlichen Zusammenarbeit verbunden, den Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). Anders als dem Warschauer Pakt traten der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe später auch außereuropäische sozialistische Staaten bei – Kuba, die Mongolei und Vietnam.

Geschaffen wurde der RGW schon Anfang 1949 in Moskau als sowjetische Antwort auf den Marshall Plan (1948 – 1951) und die in diesem Zusammenhang gegründete Organisation for European Economic Cooperation (OEEC), der Vorgängerorganisation der OECD. Die Organisation sollte die Planwirtschaften der Mitgliederstaaten koordinieren im Sinne einer internationalen Arbeitsteilung, gemeinsamer Investitionen, der Stärkung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten bei gleichzeitiger Abgrenzung gegenüber anderen Wirtschaftsblöcken. So sollte ein eng abgestimmter und an die Sowjetunion gebundener Raum separater Planwirtschaften zum gegenseitigen Nutzen entstehen.

Im ersten Jahrzehnt seiner Existenz spielte die Sowjetunion im Rahmen des RGW – zumal dieser unter den Vorzeichen der Systemkonkurrenz des Kalten Kriegs explizit auch als politische Antwort auf die amerikanische Hilfen für Westeuropa konzipiert war – gegenüber den osteuropäischen Staaten im Rahmen des RGW tatsächlich die Rolle, die von den osteuropäischen Mitgliedstaaten auch erwartet wurde: Sie lieferte wirtschaftliche Hilfen in verschiedenen Bereichen, ohne dass sie selbst daraus wirtschaftlichen Nutzen bezog.

Von den 1960er-Jahren an nahm das Gewicht eines vor allem politischen Kalküls gegenüber ökonomischen Erwägungen ab; zugleich wurden die osteuropäischen Staaten zunehmend abhängig von billigen Öl- und Gaseinfuhren aus der Sowjetunion. Die Wirtschafts- und Energiekrise der frühen 1970er-Jahre betraf auch die Beziehungen innerhalb des RGW. Die subventionierten Energiepreise im RGW waren aus sowjetischer Sicht zunehmend zu einer Belastung geworden, wenn Öl und Gas auch zu Weltmarktpreisen verkauft werden konnten. Fragen der Preisgestaltung blieben von da an – zumal vor dem Hintergrund der in den 1980er-Jahren zunehmende wirtschaftliche Krise in den sozialistischen Staaten – ein Dauerthema.

Sorge vor Dominanz der UdSSR im RGW

Anders als die Europäische Gemeinschaft entwickelte sich der RGW nicht aus einer internationalen in eine supranationale Organisation. Die Sorge, dass supranationale Institutionen von der Sowjetunion zum eigenen Nachteil dominiert werden könnten, war in den sozialistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas groß. Das trug dazu bei, dass bilaterale Prozeduren auch im RGW-Raum dominant blieben und es kaum institutionelle Möglichkeiten gab, die Umsetzung von gemeinsamen Beschlüssen durch Mitgliedstaaten zu überwachen und zu forcieren.

Der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe konnte die wachsenden wirtschaftlichen Probleme des gesamten Ostblocks in den 1970er- und 1980er-Jahren nicht verhindern. Auch Gorbatschows Perestroika änderte daran nichts. Als die kommunistischen Regime Osteuropas 1989 wie Dominosteine fielen, beeilten sich die neuen Regierungen, ihre Volkswirtschaften möglichst schnell auf marktwirtschaftlicher Basis zu reorganisieren und sich auf den kapitalistischen Westen zu orientieren.

Anfang 1990 beschloss der RGW das Zahlungswesen schrittweise von Transferrubeln auf frei konvertierbare Währungen wie den Dollar und Weltmarktpreise umzustellen. Ein Jahr später, am 5. Januar 1991, wurde für die kommende 46. Ratstagung des RGW seine Umwandlung in eine „Organisation für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit“ beschlossen.

Als die 46. Tagung des RGW am 28. Juni 1991 dann aber stattfand, war die Gründung dieser Nachfolgeorganisation aufgrund eines Streits schon wieder von der Tagesordnung genommen worden. Die nichteuropäischen Mitglieder des RGW – Kuba, die Mongolei und Vietnam – forderten in der künftigen Organisation aufgrund ihres niedrigeren Entwicklungsniveaus günstigere Konditionen – was die Sowjetunion unterstützte, nicht aber die osteuropäischen Staaten.

So blieb nur, das Protokoll über die Auflösung des RGW zu unterzeichnen. Als diese 90 Tage später in Kraft trat, war die Integrationsgeschichte des sozialistischen Ostblocks endgültig vorbei.

Lesetipp

Oscar Sanchez-Sibony: „Red Globalization: The Political Economy of the Soviet Cold War from Stalin to Khrushchev”, New York: Cambridge University Press, 2014.

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