Österreichs Neutralität auf dem Prüfstand

Bernhard Schulyok: Steht Österreichs Verständnis der Neutralität im Widerspruch zur GSVP der EU? The Defence Horizon, 19.5.2022

von KARENINA
The Defense Horizon Journal

Auch Österreich diskutiert über die Neutralität, die nach dem Krieg Bedingung Russlands für Österreichs Einheit und Unabhängigkeit war. Im April 1955 hielt das Moskauer Memorandum fest, dass Österreich keinen militärischen Bündnissen beitreten und keine Stützpunkte auf seinem Gebiet zulassen werde. Österreich verpflichtete sich auf eine Neutralität nach Schweizer Art und war so ein, freilich gen Westen orientierter, Puffer zwischen den Blöcken. Die vier Mächte (USA, Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion) garantieren im Gegenzug die Unversehrtheit und Unabhängigkeit Österreichs.

Die Neutralität genieße in Österreich hohe Anerkennung „bei geringer Bereitschaft sie selbst zu verteidigen“, schreibt der Militärstratege Bernhard Schulyok. Jegliche Entwicklungsschritte der EU für eine Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) gelten als unvereinbar mit der österreichischen Neutralität. Dagegen sei die allgemeine Erwartung, „dass andere Nationen die Verteidigung Österreichs übernehmen“.

Schulyok, bis vor kurzem Kommandant des Miliz-Jägerbataillons Wien 2 „Maria Theresia", nennt das einen Widerspruch. Österreich verlasse sich gegenwärtig darauf, dass EU (Beistandspflicht nach Art. 42 EU-Vertrag) und indirekt Nato die Neutralen und Bündnisfreien schütze. Der Vorwurf des „sicherheitspolitischen Trittbrettfahrens“ sei zu entkräften und uneingeschränkte (militärische) Solidarität zu leisten. Denn die Neutralität garantiere nicht, dass man sich aus Kriegen heraushalten könne.

Schulyok wirft die Frage auf, ob Österreich aufgrund des EU-Beitritts 1995 und der Mitwirkung an der GSVP überhaupt noch neutral sei. Eher sei das Land bündnisfrei statt immerwährend neutral.

Das Zeil müsse nun aber „uneingeschränkte Solidarität“ lauten. Schweden und Finnland hätten „die Zeichen der Zeit erkannt“. Es sei kaum mehr Raum für Neutrale oder Allianzfreie, „wenn es um den Erhalt und das aktive Eintreten mit allen Mitteln für die westliche Wertegesellschaft geht“. Selbst die Schweiz diskutiere offen „über eine Weiterentwicklung ihrer Neutralität im Sinne der Solidarität und Kooperation im Anlassfall“.

Gefordert sei nun, so Schulyok, „der sofortige Aufbau des Bundesheeres zu international interoperablen Streitkräften, denn nur Teilfähigkeiten wie ABC-Abwehr, Cyberkräfte und dergleichen für einen etwaigen Einsatz leisten zu wollen, greift zu kurz“. Denn Europa steuere „in eine ungewisse Zukunft mit geringer bis keiner Vorwarnzeit für eskalierende Konflikte“. Österreichs politische Führung solle parteiübergreifend und mit Weitblick den großen Schritt wagen.  PHK

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