Michael Kretschmer: „Ich rate zu Umkehr“
Krieg und Sanktionen stürzen die ganze Welt ins Chaos, The Pioneer, 8.7.2022
Seine Position, so Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer im Pioneer-Podcast, sei immer gewesen: „Wir dürfen nicht Kriegspartei werden“ und es dürfe kein Öl- und Gasembargo geben. Die Entwicklung gebe ihm recht: „Wir erleben eine dramatische Situation in der Bundesrepublik Deutschland.“ Erste Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften rationierten die Warmwasserversorgung. Und wenn das Gas nicht reiche, müssten Betriebe schließen.
Von einer Bundesregierung erwarte er, sagte Kretschmer, „dass sie bei der Wahl der Mittel so agiert, dass nicht wir im Wesentlichen den Schaden erleiden“. Sanktionen seien ja ein richtiges Mittel, „aber sie müssen so gewählt sein, dass sich in dem Land, das man treffen muss, um ein Umdenken zu erzeugen, eine Wirkung entfaltet, und nicht uns hier, diese Generation, diesen Kontinent für die nächsten zehn Jahre ins Chaos stürzt.“
Kretschmer fordert „so schnell wie möglich einen Waffenstillstand, ein Einfrieren dieses bewaffneten Konfliktes“.
Gar nichts hält Kretschmer vom Ende der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Rohstofflieferungen aus Russland, wie es die Bundesaußenministerin verlange. „Wir sind von diesen Gaslieferungen für die nächsten Jahre extrem abhängig, die ganze Energiewende ist darauf gebaut, die Volkswirtschaft ist darauf gebaut, und zwar auf diese großen Mengen zu einem wirklich niedrigen Preis.“ Ohne dies „bricht die Basis für unseren Wohlstand in Deutschland zusammen, und das werden die Verbraucher, und das werden die Arbeitnehmer ganz bitter zu spüren bekommen.“ Er warne davor, diesen Weg weiter zu beschreiten. „Ich rate sehr zu einer Umkehr.“
Dass Menschen, die in dieser Frage volkswirtschaftlich und ingenieurtechnisch argumentieren, als Putinversteher abgestraft werden, sei „die leichteste Form, einer Debatte auszuweichen“. Es gehe jedoch um die Zukunft von uns allen, „und deshalb brauchen wir ein breiteres Meinungsspektrum und breitere Abwägung.“
Dass der „Angriffskrieg auf die Ukraine ein großes Verbrechen“ sei, räumt Kretschmer gleich zu Beginn des Interviews ein. Gegen Ende stellt er klar, dass auch er der Meinung sei, Russland dürfe seine Kriegsziele nicht erreichen und die Ukraine habe das Recht, weiter um ihre Souveränität kämpfen. „Aber Fakt ist eins: Auf dem jetzigen Weg stürzt durch diesen Krieg und die Maßnahmen, wie man versucht, ihn auch zu beenden, nicht nur Europa, sondern die ganze Welt ins Chaos.“ PHK