Was macht Polen mit seiner Geschichte?
Die Diagnose der Polen-Analysen lautet: Heldenverehrung und Verdrängung
Wie halten’s andere Nationen mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte? Die neue Ausgabe der Polen-Analysen beantwortet diese Frage bezüglich des Lands, das erstes Opfer der Nationalsozialisten geworden war.
Die Regierungspartei PiS, so Stefan Garsztecki, Professor für Kultur- und Länderstudien an der TU Chemnitz, sei seit 2005 für eine „Selbstbestimmte Geschichtspolitik“ eingetreten. Im damaligen Parteiprogramm sei festgelegt, dass die PiS „mit Hilfe einer ‚modernen Geschichtspolitik‘ den polnischen Kampf gegen die totalitären Systeme und die Verbrechen am polnischen Volk auch außerhalb von Polen ins Gedächtnis rufen möchte. Zudem soll jeglichen Versuchen einer Relativierung der Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges entgegen getreten werden.“
Nachdem die Partei 2015 die Parlamentswahlen gewann und mit absoluter Mehrheit regierte, sei unter dem Schlagwort „guter Wandel“ mit dem Umbau des Staats und auch der Geschichtspolitik begonnen worden. Vehikel dazu sind zahlreiche Museen und Institute sowie historische Filme und die Stärkung des Patriotismus durch „patriotische und staatsbürgerliche Erziehung“, auch an den Schulen.
Garsztecki diagnostiziert „eher eine glatte Sicht auf die Geschichte, die polnische Helden darstellt und die Identifikation mit und den Stolz auf die polnische Nation fördern soll“. Bekämpft würden „Anzeichen von Antipolonismus sowie Verfälschungen insbesondere der Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Auch wird hervorgehoben, dass das Polen zugefügte Unrecht im Zweiten Weltkrieg noch nicht ausreichend wieder gut gemacht worden sei.“
Unterm Strich ergibt sich für Garsztecki ein unbefriedigendes Urteil:
1. Die Vergangenheitsbewältigung in Polen könne nicht als abgeschlossen gelten. Ein Ausschluss belasteter Personen aus der Zeit der Volksrepublik Polen aus dem öffentlichen Leben der Dritten Polnischen Republik sei nicht gelungen. )Das galt übrigens auch für die Geschichte der Bundesrepublik nach 1945.)
2. Statt „Vergangenheitsbewältigung“ gehe es unter der PiS um Geschichtspolitik. „Das hier angelegte martyrologische Denken von Polen als Opfer der Nachbarn, das fortwährend für die eigene und die Freiheit der Anderen kämpft, ist auch heute noch stark prägend.“ PHK