‚Ukraine in Putins Fadenkreuz‘
Melinda Harings martialischer Beitrag in Foreign Affairs über die Aufgaben der USA gegen Putin
Zum zweiten Mal in diesem Jahr hat Russland 100 000 Soldaten an die ukrainische Grenze gebracht, dazu Panzer und Artillerie. Kein westlicher Beobachter wisse, weshalb Russland seine Truppenbewegungen an der Grenze verstärkt habe, schreibt Melinda Haring am 19.11.2021 in einem martialischen Artikel in Foreign Affairs. (Dass auf ukrainischer Seite eine viertel Million Soldaten stehen, ist bei der Stellvertretenden Direktorin des Eurasia Center beim Atlantic Council nicht zu lesen.) US-Außenminister Antony Blinken meinte kürzlich: „Wir sind uns über Moskaus Absichten nicht klar, aber wir kennen sein Strategiepapier.“
Haring weiß doch Genaueres: Die Truppenbewegungen im April hätten dazu gedient, Washington und seine westlichen Alliierten zu erschrecken, schreibt sie. „Dieses Mal versucht Putin jedoch möglicherweise, mehr als nur Wahrnehmungen zu beeinflussen, und es wird an den Vereinigten Staaten und ihren europäischen Partnern liegen, sicherzustellen, dass dies nicht geschieht.“
Moskau behaupte, dass es keinen Plan für eine Invasion gebe, und verweise auf die Übungen der Nato im Schwarzen Meer, welche die Spannungen erhöhten. Haring nennt das „klassische Ablenkungstechnik, die der Kreml seit Jahren benutzt“. Sie erwartet, „dass Putin die Ukraine erneut angreift, bald“.
Dafür sprächen mehrere Gründe: Putin wolle sein Vermächtnis als einer der größten Russen erhöhen. Maßstab dafür sei die Eroberung von Territorium, nicht das Bruttosozialprodukt oder der internationale Ruf. Sie verweist auf Iwan der Große und Stalin. Haring ist offensichtlich sicher: „Putin denkt an die tausendjährige russische Geschichte und seinen Platz in ihr.“
Sie glaubt außerdem, der russische Führer wisse, „dass er bei einer Invasion der Ukraine davonkommt“. Er möge sich nicht für unverletzbar halten, schreibt sie, „aber wenn er das führerlose Europa und das innenpolitische Chaos in den USA betrachtet, dann ist er zuversichtlich, dass er freie Hand in Osteuropa hat“.
Sein Fadenkreuz sei auf die Ukraine gerichtet, die er ausweislich seines Essays vom Juli als Einheit mit Russland betrachtet. Dort sänken die Umfrageergebnisse für Selensky, „und Putin riecht Schwäche“.
Gegen Putins „zunehmende aggressive Schritte“ empfiehlt Haring Sanktionen, gemeinsam mit den Europäern. Außerdem solle Biden für eine Art Partnerschaft mit dem ukrainischen Militär das Kommando für Spezialoperationen der Vereinigten Staaten sorgen, die nach dem Ende des Einsatzes im Irak und in Afghanistan „die Fähigkeit für eine neue Herausforderung haben“. Sie sollten „die Ukrainer zu den tödlichsten Aufständischen auf der Welt machen“. Zum Training sollte laut Haring auch gehören, „die Medien zu nutzen, um die Legitimität und den politischen Willen eines Besatzers zu unterminieren“.
Die Spezialkräfte sollten nicht kämpfen, das sei Aufgabe der Ukrainer, schreibt sie. „Aber die USA könnten dafür sorgen, dass sie die Tools haben, die sie benötigen, damit Russland zweimal über eine Besatzung nachdenkt.“ Washington solle außerdem klarstellen, „dass eine weitere russische Invasion der Ukraine zu einem intensiven Guerillakrieg führen würde. Sollte Putin sich trotzdem für eine Invasion entscheiden, „sollten Washington und seine Verbündeten klarmachen, dass er mehr abgebissen hat als er kauen kann“ (den Mund zu voll genommen hat). PHK