Rolf Mützenich: So geht Entspannungspolitik
Ziel von Entspannungspolitik müsse eine europäische Sicherheitsordnung jenseits der Blöcke sein, IPG Journal, 17.1.2022
Rolf Mützenich ist erfreut, dass die USA bei den jüngsten Gesprächen mit Russland versucht haben, „die Temperatur durch bilaterale und direkte Gespräche runterzudrehen“. Allerdings ließe sich dieses Temperaturlevel „nur halten, wenn man neben der eigenen Darlegung auch die Sicherheitsbedrohungen der jeweils anderen Seite zur Kenntnis zu nehmen versucht – ohne sie zu teilen. Erst dann sind Gespräche und daran anschließende belastbare Verhandlungen möglich.“
Im Interview mit dem IPG-Journal forderte er eine Fortsetzung der Gespräche und Verhandlungen über Abrüstung und vertrauensbildende Maßnahmen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende räumt ein, dass Russland gegen den INF-Vertrag verstoßen habe. Aber man müsse sich auch bewusst machen, „dass die Stationierung der Raketenabwehrsysteme der USA in Polen und Rumänien und deren Verknüpfung mit NATO-Fähigkeiten eine zusätzliche sicherheitspolitische Herausforderung für Russland bedeutet“.
Der Verzicht auf den nuklearen Erstschlag könnte dieses Gefühl der Bedrohung mindern, so Mützenich. Könnte das von russischer Seite angebotene Moratorium bei der Stationierung neuer Waffensysteme und der Abbau von nuklearen Fähigkeiten einbezogen werden, „wäre schon eine Menge gewonnen“.
Ein Vetorecht bei der freien Bündniswahl souveräner Staaten könne Russland nicht für sich beanspruchen. Aber Georgien und die Ukraine erfüllten „auf absehbare Zeit“ ohnehin nicht die Kriterien für eine NATO-Mitgliedschaft.
Dessen ungeachtet bleibe er aber dabei: „Wir brauchen neben der Herstellung einer militärischen Rückversicherung auch eine langfristige Perspektive für eine die Blöcke überwölbende Sicherheitsarchitektur.“
Der Fokus könne jedoch nicht einseitig auf militärischen Fähigkeiten liegen. Zur Sicherheitspolitik gehörten auch „Diplomatie, kluge außenpolitische Initiativen und insbesondere auch die Fähigkeit, über wirtschaftliche Zusammenarbeit Anreize zu schaffen, damit man in Europa friedlich zusammenleben kann“.
Von den Protagonisten der Entspannungspolitik, Brandt und Bahr, könne man lernen, „die Welt auch mit den Augen der anderen zu sehen“. Das gelte für die osteuropäischen Partnerstaaten der NATO und der Europäischen Union sowie für Russland und anderer postsowjetische Staaten. PHK