Moskau haftet auch für Minsk
Artyom Shraibman: „Going Global: Forced Landing Makes Lukashenko an International Problem“, Carnegie Moscow Center, 26.5.2021
Für Artyom Shraibman, Politikanalyst in Minsk und ehemals Politikredakteur und Autor der inzwischen gesperrten unabhängigen Webseite TUT.BY, ist die Krise nach der Entführung der Ryanair-Maschine und des Dissidenten Roman Protasewitsch keine nationale mehr, sondern ein globale. Er prophezeit, dass der Westen Maßnahmen ergreifen werde, denen er über Jahrzehnte widerstanden hat. Er nennt Flugverbote und Wirtschaftssanktionen, die zu hohen Verlusten bei der Fluggesellschaft Belavia führen würden, auch zu Jobverlusten; Geschäftsleute werden allein wegen logistischer Probleme ausbleiben, auch Sportler.
Dass die Sanktionen Minsk näher an Moskau heranrücken lassen und ausreisewilligen Belarusen schaden könnten, sieht er dabei als zweitrangig. "Für EU und USA ist es jetzt nicht am wichtigsten, wie sie Belarusen dabei helfen könnten, ihre Probleme mit der Regierung zu lösen. Es geht jetzt darum, einen Präzedenzfall zu vermeiden, indem versäumt wird, Aktionen zu bestrafen, die Staatsterrorismus oder Piraterie genannt werden."
Lukaschenko habe "aller Wahrscheinlichkeit nach" das Ausmaß der Folgen nicht vorhergesehen. "Das Regime ist im Überlebenskampf, was seinen Tunnelblick verschlimmert hat. Alles konzentriert sich darauf, seine Feinde kaltzustellen." Ansehensverlust sei daher keine Kategorie bei der Entscheidungsfindung.
Wieviel der Kreml zu geben bereit ist, um Minsk zu stützen, sei unklar. Shraibman empfiehlt Moskau, beim Treffen von Putin und Biden im Juni eine Atmosphäre der Deeskalation bezüglich der bestehenden Konflikte zu schaffen. Denn je toxischer Lukaschenko werde, desto mehr werde der Westen zeigen wollen, dass das fühlbare Folgen hat. Und da Russland das einzige Land mit Einfluss auf das Verhalten der Regierenden in Belarus ist, sei es nur eine Frage der Zeit, bis der Druck von Minsk auf Moskau übergeht. PHK